Liebe Männer,
was spricht gegen eine Männerfreundschaft? Zwei selbstbewusste Mannsbilder umarmen sich in Sankt Petersburg und schon ist eine Welle der Entrüstung in Gang gesetzt. Ein ehemaliger Kanzler hat die Sünde begangen, Herrn Putin seine Gefühle in der Öffentlichkeit kund zu geben und wie wir wissen, sind sie von Sympathie geprägt. Sollte Gerhard Schröder auf den Boden spucken, um seinen Widerwillen zu demonstrieren? Klar, es gibt viele Gründe dem russischen Präsidenten die kalte Schulter zu zeigen, aber das würde die Causa Ukraine kein Stück weiter bringen. Wie wir tagtäglich erfahren, kann der Konflikt nur auf dem diplomatischen Weg geregelt werden und unter diesem Aspekt kann es nicht schaden, wenn ein Deutscher weiter gute Beziehungen zu Vladimir Putin pflegt. Der Ex-Kanzler hat somit die Möglichkeit, Botschaften weiter zu vermitteln, ohne die Staatsraison zu verletzen, da sie von privater Natur sind.
Mit Sanktionen kann nichts erreicht werden, das hat ein Fuchs wie Schröder schon längst erkannt und auch die Tatsache, dass Putin sich in eine Falle begeben hat. Er weiß sehr genau, dass die russische Wirtschaft auf lange Sicht die krasse Verliererin sein wird. Auf der einen Seite will und kann er nicht die Dissidenten im Osten der Ukraine im Stich lassen, auf der andere Seite wird er keinesfalls auf eine Kooperation mit dem Westen verzichten wollen. Es wäre deshalb gut, dass ein neutraler Partner eine Annäherung vorbereitet und für diese Rolle wäre der Altbundeskanzler sehr geeignet. Hier würde eine Männerfreundschaft ihren wahren Sinn erweisen. Schröder weiß genau, wie die Europäer und die USA ticken, er ist pragmatisch genug, um die Interessen der Kontrahenten gut einzuschätzen und nach einem Konsens zu suchen. Zweifelsohne werden beide Lager Federn lassen müssen aber so ist es halt in der Politik.
In Deutschland tut man sich schwer mit dem Verhalten von Gerhard Schröder. Klare Worte werden bevorzugt und das im Namen der Ehrlichkeit! Aber auf dem Parkett der Diplomatie verläuft das anders, hier werden Zwischentöne bevorzugt – auch eine Haltung, die die wahren Absichten verschleiert. Das ist wie beim Schachspiel, bei dem die Taktik des Gegners rätselhaft bleiben muss. Laut zu sagen, was man denkt, kann nur der Sache schaden. Im Gegensatz zu vielen Bundesbürgern habe ich gegen die Männerfreundschaft zwischen Putin und Schröder nichts einzuwenden, solange sie unsere Interessen nicht berührt und bisher sehe ich keinen Anlass, dies anzunehmen. Aber es gibt noch einen Aspekt, den ich nicht außer Acht lassen will: die Treue in einer Freundschaft. Ich kann sehr wohl zu jemandem eine Neigung empfinden, seine Haltung aber kritisieren. Solange sie offen geäußert wird, sehe ich keinen Vorstoß gegen die Interessen der Nation. Vielleicht hat der Altbundeskanzler versäumt, seine Widersprüche klar genug zu äußern. In einer Demokratie soll jeder diese Freiheit haben, auch wenn sie nicht unbedingt zur generellen Politik passt. Wenn ich dies befürworte, muss ich die Freundschaft zwischen Putin und Schröder akzeptieren, auch wenn sie mich stören könnte.
//pm