Es galt schon immer, mit dem Fortschritt Schritt zu halten. Schließlich geht es um Fort-Schreiten, also eine Vorwärtsbewegung. Früher hatten wir uns über die Elterngeneration aufgeregt: Die Alten kannten dies und das nicht, hatten an Marktneuheiten oft null Interesse. Lange Zeit konnte ich hierfür kein Verständnis aufbringen. Jetzt, mit Mitte Vierzig, stelle ich mir die Frage, ob man dauerhaft mit dem Fortschritt Schritt halten kann. Die Evolution überholt einen, man wird buchstäblich zum Dinosaurier. Ihr glaubt das nicht?! Nun, vor etwas mehr als zwei Jahren musste ich die Hürde vom Handy zum Smartphone überwinden. Kein Problem! Dachte ich … Bei einem Einkauf in einem Discounter hielt ich mich in der Nähe der Käsetheke auf, als mich der erste Anruf auf meinem neuen Mobilphone erreichte. Freude! Allerdings nicht lange. Es kann sehr peinlich werden, wenn das Ding im Geschäft vor sich hin musiziert, sämtliche Leute auf einen aufmerksam werden und man erfolglos auf diesem Ding herumdrückt, nicht in der Lage, den Anruf entgegenzunehmen. Peinlich! Zu Hause wurde mir durch die Jugend offenbart, man drücke nicht mehr, sondern schiebe oder wische. Muss einem ja mal gesagt werden!
Die Älteren unter uns kennen ihn noch: den Walkman! Das war zu der Zeit, als die Franzosen anfingen, Anglizismen aus ihrer Sprache zu verbannen. Aus dem Walkman wurde damals der Baladeur. Mobiles Musikhören. Klasse! Kassette rein, los ging es. Groß war die Trauer, wenn sich etliche Meter Band in der Technik dieses Gerätes verheddert hatten. Ich ging natürlich mit der technischen Entwicklung damals mit. Man gönnt sich ja sonst nichts! Der Discman wurde angeschafft. CD rein, kein Verheddern mehr. Herrlich, oder?! Ich weiß nicht wie es kam, aber die weiteren Entwicklungen nahm ich nur noch theoretisch zur Kenntnis, also quasi vom Hören-Sagen: MP3-Player, iPod und anderen Schnick-Schnack, den es noch so gab beziehungsweise gibt. Solche Geräte sind bei der Jugend hoch angesehen. Und sehr hilfreich im Alltag. So wurde mir von einer Frau zugetragen, ihr Sohn benötige einen iPod, damit er morgens auf den Schulbus warten könne. Wohl bemerkt: „ … warten könne“! Ich selbst hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine noch so blasse Ahnung, wie solche Wunderwerke aussehen. Bis zu dem Tag, an welchem unsere Jugend in einem Unterhaltungselektronikladen mir einen solchen zeigte. Hier wurde mir wahrhaftig bewusst, wie sehr ich doch in die Jahre gekommen war. Man muss erst einmal die Lesebrille aufsetzen, um einen scharfen Blick auf dieses Wunderwerk der Technik werfen zu können. So ganz präsent war mir die Funktionsweise dieses Dings zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Musste man jenes eventuell in das CD-Laufwerk der Stereoanlage einlegen? Gab das Töne von sich? Man könne Musik downloaden und „draufziehen“ wurde mir erläutert. Aha!
Zu Hause angekommen betrachtete ich meine Stereoanlage. Noch relativ neu, erst knapp über zwanzig Jahre. Funktioniert noch! Hat sogar noch einen Plattenspieler. Für die Jugend: Platte = Vinyl, so mit Rillen. Da pflügt eine Nadel durch und macht dabei Töne. So ähnlich wie der Landwirt mit seinem Pflug die Erde pflügt … Kein guter Vergleich?! Ok., lassen wir das! Früher, als ich jung war (klingt pissrig, ich weiß! In Neuhochdeutsch stünde hier ein Smiley.), hatte man hinten auf der Heckablage des Fahrzeugs Boxen aufgebaut. Je größer, desto besser. War cool! Heutzutage versteckt man dergleichen im Kofferraum, die Boxen beziehungsweise Lautsprecher sind es ja eigentlich, sind kleiner und leistungsfähiger geworden. Der Lauf der Technik! Wenn man früher bei geschlossenen Autofenstern irgendwo vorbeifuhr, dann gab es diesen typischen Sound. Hörte sich von außen etwa so an: „Wumm, wumm, wumm!“. Auch das klingt heute anders: „Unzzzzzzz!“.
So viele Dinge haben sich verändert. Es macht mir Angst, wie viel der Entwicklung schon an mir vorbeigezogen ist. Aber andererseits: merkwürdigerweise fehlt mir nichts, ich habe keinen Nachteil, mir tut nichts weh. Wenn ich mich so zurücklehne, tief durchatme und hinaus in den Sonnenschein schaue, lasse ich meine Gedanken schweifen. Und da komme ich zu dem Ergebnis: es ist alles gut, ich lebe noch!
Eine kleine Anekdote zum Schluss: Wisst Ihr eigentlich, warum der Flamingo oft auf einem Bein steht? Nein?! Der nächste Schritt will wohl überlegt sein!
Schauen wir der Natur doch wieder einmal etwas ab …
© Thomas Dietsch