zuerst möchte ich dir für deinen neuen deutschen Pass gratulieren. Es freut mich, dass du endlich zu unserer Gemeinschaft gehörst. Als alter Berliner musst du das als eine Selbstverständlichkeit empfinden. Du hast mir gesagt, dass der Anstoß, diesen Schritt zu wagen, von Raed Saleh kam, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Senat. Wie du weißt, stammt er aus Palästina und ist als kleines Kind in die Hauptstadt mit seinen Eltern gewandert. Es könnte schon sein, dass er eines Tages regierender Bürgermeister wird. Voraussetzung ist, dass du und alle Deutschen mit einer Migrationsvergangenheit ihn wählen – ich fände das prima. Wie du vielleicht weißt, klappt solch ein Modell in Rotterdam sehr gut. Seit 2009 regiert ein gebürtiger Marokkaner, Ahmed Aboutaleb. Er ist Muslim und Sozialdemokrat und hat ein Modell verwirklicht, das bemerkenswert ist. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist dort sehr hoch und jeder, der eine Hilfe von der Stadt bekommt, muss eine Gegenleistung erbringen, wie das Kehren der Straßen oder Altershilfe. Nur ein Politiker mit Migrationshintergrund, konnte das stemmen, sonst wäre solch eine Initiative als diskriminierend betrachtet worden.
Ich bin nicht so naiv, um zu ignorieren, dass der Widerstand groß sein wird, wenn Saleh sich zur Nominierung des Kandidaten zum Posten des regierenden Bürgermeisters stellt. Selbst Genossen, die sich immer als tolerant bezeichnen, werden daran zu kauen haben. Wie in den USA werden sie sich abfinden müssen, dass die Bevölkerungsstruktur sich stark verändert hat. Eine starke weiße Mehrheit gibt es in diesem Land nicht mehr und das begrüße ich. Ich denke, das Raed Saleh durchaus fundamentale Änderungen in Berlin durchsetzen kann, denn der heutige Zustand ist auf langer Zeit nicht mehr zu verantworten. Wenn keine allmähliche Integration der Migranten stattfindet, kann es eines Tages zu einer Stadtguerilla kommen. Es wäre daher wünschenswert, dass jeder die Belange der Hauptstadt sich zu eigen macht. Solange aber eine Diskriminierung herrscht, ist das nicht möglich. Um Erfolge zu erzielen, müssen die Bürger ausländischen Ursprungs politisch tätig werden, denn nur so können Verbesserungen erzielt werden. Es ist gerade das Ziel von Raed Saleh, dies zu erreichen.
Lieber Ahmed, du bist auch ein Neu-Deutscher und solltest deine Rechte in Anspruch nehmen und das bedeutet, dass du mitbestimmst und wenn du Lust verspürst, kannst du dich auch wählen lassen. Ich habe immer behauptet, dass eine Integration nur unter solchen Prämissen überhaupt möglich ist. Die immer steigende Ausländerzahl muss sich vertreten fühlen, denn nur so wird sie abwägen können, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit anstrebt oder nicht und das kann uns nur dienen. Wer sich daheim fühlt, arbeitet für das Geheimwohl, wer nicht, sieht keinen Grund es zu tun. Ich würde genauso reagieren und deshalb sage ich, als Zugereister, bringt den Mut auf, diesen Schritt zu tun!
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