Emotional verabschiedet sich Barack Obama als Präsident. 20.000 Menschen feierten ihn. Sein Auftritt zeigt aber, in welch kritischem Zustand er die USA sieht.

Obama erwähnte die Errungenschaften seiner Präsidentschaft. Seine Regierung habe 20 Millionen mehr Menschen eine Sozialversicherung gebracht, den gefährlichsten Terroristen der Welt unschädlich gemacht und eine Atommacht Iran verhindert, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. „Amerika ist ein besserer Ort, als zu der Zeit, als wir angefangen haben“, sagte er. „Ihr müsst die Werte hochhalten, die uns zu dem machen was wir sind“, forderte Obama von seinen Landsleuten. Obama fügte hinzu: „Es war die größte Ehre meines Lebens, Euch zu dienen.“ Es passt zur Tragik seiner Präsidentschaft, dass nicht sicher ist, was inhaltlich von seiner Amtszeit übrigbleibt. In wenigen Tagen sitzt an seinem Schreibtisch Donald Trump …

Obama will Abschied nehmen. Natürlich in Chicago. Hier hat alles angefangen vor acht Jahren, hier soll es enden. „Es ist gut, wieder zu Hause zu sein!“, sagt er. Eine knappe Stunde spricht er und die Rede ist, natürlich, eine in Teilen sehr wohlwollende Betrachtung seiner eigenen Amtszeit. Es geht ihm darum zu zeigen, dass sein Versprechen des Wandels in seiner Präsidentschaft auch tatsächlich eingehalten wurde.

In weiten Passagen ist es aber eine nachdenkliche und emotionale Rede, eine Reflexion darüber, was in den vergangenen Jahren in den USA und unter ihm als Präsidenten passiert ist. Er wolle, sagt Obama, zum Abschied gerne etwas zum Zustand der Demokratie sagen. Die sei nämlich in Gefahr.

Die Ungleichheit wachse, die Chancengleichheit schrumpfe, die Polarisierung nehme zu, das Vertrauen in Institutionen nehme ab. Zu viele Menschen fühlten sich abgehängt. Den Sorgen der vielen Bürger, die mit den Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte ihre Welt verloren hätten, müsse sich das Land eigentlich wieder stärker widmen. Nur sei den Amerikanern etwas Wesentliches abhanden gekommen: Die Fähigkeit, sich in den jeweils anderen hineinversetzen zu können. „Wir fühlen uns immer sicherer in unseren Blasen, dass wir – egal ob sie richtig oder falsch sind – nur noch jene Informationen akzeptieren, die zu unseren Meinungen passen“, kritisiert Obama.

Geht wieder aufeinander zu, engagiert euch, öffnet euch – das ist die Botschaft des scheidenden Präsidenten. „Die Demokratie ist immer dann bedroht, wenn wir sie als selbstverständlich betrachten“, ruft er. „Wenn ihr keine Lust mehr darauf habt, mit Fremden im Internet zu streiten – versucht mal, mit ihnen im richtigen Leben zu sprechen“. Wenn einem Politiker nicht passten, solle man Unterschriften sammeln und selbst antreten. Das „Amt des Bürgers“ sei das wichtigste Amt in der Gesellschaft. Ähnliche Sätze hat Obama letztes Jahr in Havanna geäußert, um die Kubaner von der Demokratie zu überzeugen. Jetzt spricht der scheidende Präsident seinen Landsleuten ins Gewissen, damit diese sich von der Demokratie nicht verabschieden.

Natürlich sind diese Passagen eine indirekte Referenz auf Donald Trumps Weltsicht und eine Abgrenzung von dessen Plumpheit und Aggressivität. Der Wahlsieger ist nicht anwesend, aber in gewisser Weise ist er die ganze Zeit über mit im Saal. Als Obama von der „friedlichen Übergabe der Macht“ spricht, pfeifen ein paar Zuschauer und schreien „Four more years!“ – nochmal vier Jahre. Obama lächelt. Er dürfe das nicht …

Namentlich erwähnt er seinen Nachfolger nur einmal, ansonsten versucht Obama, sich von ihm politisch abzugrenzen. Um die Demokratie zu retten, „müssen wir uns auch gegen die Schwächung unserer Werte stellen“, ruft er. Freier Handel, Recht und Gesetz im Anti-Terror-Einsatz, Entschlossenheit im Kampf gegen den Klimawandel, Einsatz für Flüchtlinge. „Unsere Rivalen wie Russland und China reichen nicht an unseren Einfluss heran. Es sei denn, wir geben auf, wofür wir stehen und werden auch eines dieser großen Länder, die ihre kleinen Nachbarn schikanieren“.

Am Ende seiner Rede angelangt, möchte Obama seinen Leuten noch eines mitgeben: Er kommt als Mann der Hoffnung, er will gehen als Mann der Hoffnung. „Lasst uns wachsam sein. Aber nicht ängstlich“, ruft er. „Die Zukunft ist in guten Händen“. Ein Satz, den nicht einmal alle Republikaner unterschreiben würden.

Aber in Chicago hören das an diesem Abend die meisten Zuschauer gerne.

Ganz am Ende seiner letzten großen Rede als Präsident wird es emotional. Barack Obama steht am Pult in Chicago, beißt sich auf die Lippe und wischt sich eine Träne aus dem Auge. „Bei allem, was ich in meinem Leben gemacht habe, bin ich am stolzesten darauf, Euer Vater zu sein“, ruft Obama seinen Töchtern zu.

Ein bewegender Moment. Es liegt weniger an Obamas persönlichem Ton. Sondern daran, dass den meisten im Saal mit einem Mal klar wird, dass in diesen Tagen die Präsidentschaft Obamas zu Ende geht.