Dolores Ibárruri gilt als Ikone des spanischen Widerstandes.

Ihr antifaschistischer Kampfruf „¡No pasarán!“ gehörte wie die Heiligenbilder Che Guevaras zur linken Pop-Kultur. Dabei war Ibárruri eine höchst zwiespältige Figur. Sie war wie viele Kommunisten ihrer Generation eine leidenschaftliche Antifaschistin, aber gleichzeitig in Stalins verbrecherische Politik verstrickt.

Geboren 1895 in Gallarta, einem baskischen Dorf, fiel sie zunächst als religiöse Eiferin auf, bevor sie infolge der Heirat mit einem revolutionären Minenarbeiter zur fanatischen Kämpferin für ein sozialistisches Paradies im Diesseits mutierte. Von Entbehrungen und Schicksalsschlägen geprägt, schloss sie sich 1921 dem PCE – der Kommunistischen Partei – an. Ihren legendären Ruf begründete die wortgewandte Arbeiterführerin im Spanischen Bürgerkrieg, einem Vorspiel des Zweiten Weltkrieges, in dem sich von Hitler und Mussolini unterstützte Faschisten und Anhänger der Republik bekämpften.

Stets schwarz gekleidet, besuchte Ibárruri die republikanischen Soldaten an der Front, hob Schützengräben aus und hielt mit flammenden Reden und Slogans wie unter anderem: „Es ist besser, stehend zu sterben, als auf den Knien zu leben!“ den Widerstandsgeist wach. Ihr Ruf „¡No pasarán!“ (dt.: „Sie werden nicht durchkommen!“) wurde zum Schlachtruf der Verteidiger der Republik.

Dass die Sowjetunion der spanischen Republik als einziges europäisches Land militärisch zu Hilfe eilte, prägte die energische Frau. Sie verachtete Europas „feige Demokratien“ und verehrte Stalin, den „Führer des Weltproletariats“, der das „Licht der Freiheit und der Gerechtigkeit“ zum Leuchten gebracht habe, wie sie 1937 schrieb. Dass Stalin in jenem Jahr gerade Zehntausende von Genossen als Verräter vorführen und erschießen ließ, störte sie nicht.

Nach dem Sieg der Franquisten floh die „Pasionaria“ (dt.: Passionsblume) nach Moskau. Wie Walter Ulbricht überlebte sie dort Stalinschen Säuberungen. Während Ulbricht nach dem Zweiten Weltkrieg eine Diktatur in Ostdeutschland errichten durfte, war Ibárruri in ihrem Moskauer Exil damit betraut, den im Untergrund agierenden PCE auf Kurs zu halten. Ihr Weltbild lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Anhänger Stalins bringen der Welt Freiheit und Demokratie – alle anderen Linken sind Verräter oder Lakaien der Kapitalisten.

Jorge Semprún, spanischer Schriftsteller, ehemaliger Widerstandskämpfer und Kommunist, beschrieb Ibárruri in seinem biografischen Bericht „Von Treue und Verrat“ einmal als „grandiose Erscheinung“ und „begnadete Rednerin mit einer herrlichen Stimme“; ihre Ansichten seien aber grauenvoll simpel und zum Teil einfach idiotisch gewesen. Tatsächlich hat sich Ibárruri – Trägerin des Lenin-Ordens und des Lenin-Friedenspreises – nie wirklich von ihrem totalitären Gedankengut verabschiedet. Noch in den 1960er Jahren ist sie auf Bildern zu sehen, wie sie einen Schwatz mit ihrem Landsmann Ramón Mercader hält, der damals ebenfalls in Moskau lebte – als ordenbestückter Held, weil er Stalins Erzfeind Leo Trotzki 1940 einen Eispickel in den Schädel gerammt hatte. Selbst die Versuche der europäischen Kommunisten, ihre diskreditierten Ideen durch einen zumindest auf dem Papier pluralistischen „Eurokommunismus“ in die Moderne zu retten, trug Ibárruri nur widerwillig mit. 1977 lässt man sie ins demokratische Spanien – nach Asturien – zurückkehren. Die Greisin wird ins Parlament gewählt, stellte aber nur noch eine Randfigur dar.

Als sie 1989 starb – kurz bevor der real existierende Sozialismus ebenfalls das Zeitliche segnete –, urteilte die Presse, dass die Bewunderung der Spanier für sie kaum mit deren überholten Ansichten zu tun habe. Die allgemeine Zuneigung entspringe vielmehr dem Respekt vor einem erfüllten Leben, vor einer Persönlichkeit, die ihren Ideen bis ans Lebensende treu geblieben sei.