Am 6. und 9. August 1945 verschwanden die beiden Städte Hiroshima und Nagasaki im Inferno der Atombomben. Über 200.000 Menschen starben bei den Angriffen, Zehntausende an den Spätfolgen ihrer Verbrennungen, Verletzungen und der Radioaktivität. Die Überlebenden dieser Angriffe eint seit 72 Jahren ein gemeinsames Ziel: Sie wollen noch in ihrer Lebenszeit eine Welt ohne Atomwaffen und atomare Bedrohung erreichen. Sie wollen, dass nachfolgende Generationen niemals wieder die Hölle auf Erden erleben müssen, die sie durchgemacht haben.
Der 72. Jahrestag von Hiroshima und Nagasaki ist für die Überlebenden ein besonderer, denn dieses Jahr sind sie ihrem Ziel einen großen Schritt nähergekommen: Am 7. Juli 2017 verabschiedeten 122 Staaten bei den Vereinten Nationen einen Vertrag zur völkerrechtlichen Ächtung von Atomwaffen. Sobald der Vertrag von mindestens 50 Staaten ratifiziert ist, werden Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Weitergabe, Erwerb, Besitz, Testung und der Einsatz von Atomwaffen gegen das Völkerrecht verstoßen. Der Vertrag bezieht sich in seiner Argumentation vor allem auf die nationalen und globalen Sicherheitsinteressen aller UN-Mitgliedsstaaten und ihrer Bevölkerungen.
So wird auch die Androhung eines Atomwaffenangriffs verboten und damit das Konzept der atomaren Abschreckung als klarer Völkerrechtsbruch definiert. Das Internationale Rote Kreuz begrüßte den Vertrag und bezeichneten ihn mit Blick auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts als wegweisend. Die Drohung, Zivilisten mit Massenvernichtungswaffen zu töten, ist schon jetzt mit den Genfer Konventionen, der Haager Landkriegsordnung und den universellen Menschenrechten nicht vereinbar. Das Atomwaffenverbot schließt somit eine völkerrechtliche Lücke, die jahrzehntelang nicht überwunden werden konnte. Während biologische und chemische Waffen, Landminen und Streubomben international geächtet werden, waren Atomwaffen bis heute vom Völkerrecht geduldet. Die Atommächte gehen sogar so weit, in der gegenseitigen nuklearen Abschreckung eine Art Sicherheitsstrategie zu sehen.
Aus heutiger Sicht ist es daher sehr problematisch, dass Pjöngjang einfach mal eine Interkontinentalrakete testet. Wer hat da geholfen? Wer Pionierarbeit geleistet? Raketen kommen nicht aus dem Nichts, die USA und Russland brauchten viele Jahre und etliche Versuche, bis sie eine solche Rakete im Arsenal hatten.
Das Triebwerk der nordkoreanischen Raketen lässt sich genau analysieren. Es wurde der Öffentlichkeit am 18. März des Jahres vorgeführt, und zwar von Staatschef Kim Jong-un persönlich. Der oberste Führer schwärmte von einem „historischen Fortschritt“ im Raketenprogramm des Landes. Wenig Sensationelles: Turbopumpe, Kühlleitungen, Austrittsdüse – alles identisch mit dem russischen RD-250.
Der einzige Unterschied: Es gab nur eine Brennkammer, das Original wurde wohl zerlegt. Dasselbe Triebwerk hing erstmals am Heck einer Mittelstreckenrakete, die im April und Mai getestet wurde, im Juli tauchte es an der Hwasong-14 auf. Stets in Kombination mit vier seitlichen Vernier-Antrieben zur Steuerung der Raketen. Eine Reihe Experten erkannten das russische Modell wieder.
Nordkoreanische Raketentriebwerke also ein einfacher Nachbau der russischen? Nein, selbst die Amerikaner haben es einmal sieben Jahre lang versucht, ein anderes russisches Triebwerk nachzubauen. Sie hatten sogar die Baupläne und schafften es trotzdem nicht.
Belege für Hilfe von außen gibt es nicht. Das hat aber nichts zu bedeuten. Unter Fachleuten ist unbestritten, dass der größte Teil des nordkoreanischen Raketenprogramms aus Russland stammt. Mehrere Typen verwenden eindeutig Technologie von Scud-Raketen. „Alles, was mit flüssigem Treibstoff betrieben wird, kommt aus Russland, alles mit festem Treibstoff kommt aus China“ (Markus Schiller, Raketentechniker).
Nur mit dieser fremden Hilfe ist plausibel zu erklären, warum Pjöngjang immer neue Prototypen einsetzt und sechs Programme auf einmal betreibt: Es entwickelt die Raketen nicht selbst, sondern beschafft sich wesentliche Komponenten im Ausland und fügt sie dann zusammen, bisweilen auf unkonventionelle Weise.
In Anbetracht der beiden Urkatastrophen in Japan vor 72 Jahren, dem Bemühen der Menschen für eine Welt ohne Atomwaffen, erscheint es wie ein Verrat am Menschen selbst, wenn bloßer Kommerz – und nichts Anderes steckt dahinter, im Rüstungsgeschäft verdient man schließlich Milliarden – offensichtlich doch mehr wiegt als das Interesse am Fortbestehen unseres Planeten, dessen Erhalt für zukünftige Generationen.
Es grenzt an bodenlose Heuchelei, wenn Russland einerseits Pjöngjangs Raketentests verurteilt und im Hintergrund das Waffenprogramm unterstützt.