Auf dem Trafalgar Square enthüllte der Bürgermeister von London, Boris Johnson, Mitte April einen originalgetreuen Nachbau des berühmten Triumphbogens, den Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der historischen Oasenstadt Palmyra gesprengt hatten.
Mit der Rekonstruktion des Bauwerks solle ein Zeichen gegen den Versuch von Extremisten gesetzt werden, Geschichte mit Hilfe von Terror auszulöschen, sagte der konservative Politiker: „Es ist unsere Pflicht, dieses gemeinsame Erbe zu erhalten.“
In der türkischen Metropole Istanbul haben die Beratungen des Unesco-Komitees zum Welterbe begonnen. Neben der Aufnahme auf die Liste des Welterbes wird auch die Diskussion um gefährdetes Welterbe viel Raum auf der Konferenz einnehmen.
Das sagte die Direktorin des Unesco-Welterbezentrums, Mechthild Rössler, in Istanbul.
Am Dienstag ging es auch um die teilweise zerstörte Oasenstadt Palmyra im Bürgerkriegsland Syrien. Rössler, die im April mit einer Kommission nach Palmyra gereist war, sagte: „Die Arbeitsbedingungen dort sind sehr schwierig.“ Es handelt sich um Kriegsgebiet. 4.000 Minen wurden entfernt, unter Trümmern können noch weitere versteckt sein.
Nach Unesco-Angaben sind 27 Stätten für die Aufnahme in die Liste des Welterbes nominiert. Die Zahl habe wegen des Zurückziehens von Anträgen und wegen neuer Teilnehmer zunächst variiert.
Deutschland ist in diesem Jahr nur mit einer Nominierung dabei: Zwei Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung sind Teil eines Antrags aus sieben Ländern, der das Werk des schweizerisch-französischen Architekten und Stadtplaners Le Corbusier (1887-1965) würdigen will.
Insgesamt 13 neue Anträge betreffen das Kulturerbe, darunter sind die antike Stätte von Philippi in Griechenland, die Neandertaler-Höhlen von Gibraltar und die Megalithgräber Dólmenes de Antequera in Spanien. Außerdem gibt es nun vier gemischte Nominierungen für Kultur- und Naturerbe.
Die Tagung dauert bis zum 20. Juli. Nach Unesco-Angaben soll über die neuen Stätten des Kultur- und Naturerbes zwischen dem 15. und 17. Juli entschieden werden.
Darüber gibt es auch unter Fachleuten keine zwei Meinungen. Rund vier Monate nach der Vertreibung der Extremisten aus Palmyra läuft unter Experten eine intensive Debatte darüber, wie mit dem Weltkulturerbe in Zentralsyrien umgegangen werden soll. In barbarischer Art und Weise zerstörten die Djihadisten in ihrer zehnmonatigen Herrschaft über Palmyra einzigartige Bauten, die 2.000 Jahre überlebt hatten: neben dem römischen Triumphbogen auch die Tempel Baal und Baal-Schamin – für die Extremisten Orte des „Unglaubens“ und der „Vielgötterei“, die dem Erdboden gleichgemacht werden müssten.
Die Replik von Trafalgar zeigt Fluch und Segen moderner Methoden zugleich. Mit Hilfe neuer 3D-Technologie lassen sich mittlerweile solche Nachbildungen vergleichsweise einfach errichten. Ein 3D-Drucker ließ den Triumphbogen aus ägyptischem Marmor wieder auferstehen, wenn auch um etwa ein Drittel kleiner als das zerstörte Original.
Doch für viele Fachleute sind derartige Repliken ein Alptraum, weil sie darin romantisierende Rekonstruktionen in Manier eines Disney-Freizeitparks sehen. Auch Altorientalisten warnen vor einer „billigen Reproduktion, die dem Ort nicht angemessen ist“ (Markus Hilgert). Die Aktion auf dem Trafalgar-Square habe sehr deutlich Möglichkeiten und Grenzen von 3D-Rekonstruktionen aufgezeigt: „Sie eignen sich als Denkmale der Solidarität und des Widerstands gegen Kulturzerstörung, aber als Ersatz für zerstörte Bausubstanz sind sie ungeeignet.“
Doch was tun mit den Trümmern in Palmyra? Die gute Nachricht: Die Verwüstung in der Oasenstadt ist nicht so groß wie befürchtet. Nur rund 20 Prozent des Welterbes sind laut einer ersten Bestandsaufnahme syrischer Experten zerstört. Rössler, die Direktorin des Welterbezentrums, rechnet damit, das sich etwa der Triumphbogen „relativ einfach“ wieder aufbauen lässt, weil seine Trümmer in großen Teilen erhalten sind. Die beiden Tempel sind hingegen pulverisiert.