Moskaus Wirtschaftselite trifft sich jährlich zum Gaidar-Forum. Für Russlands Wirtschaft ist bislang nur eine Richtung zu erkennen: es geht – im Sog des Ölpreises – steil nach unten.

Moskaus Tageszeitungen fragen ängstlich, welche Folgen der Absturz für Russland haben wird. Seit Jahresbeginn ist der Preis pro Barrel um fast 20 Prozent gesunken, seit November sogar um 40 Prozent. Ein Fass der Sorte Brent kostete zwischenzeitlich nur noch 30 Dollar, die russische Sorte Urals sogar nur 27,40 Dollar.

Die neuen Turbulenzen am Ölmarkt machen Russland zu schaffen, da sich die Staatseinnahmen zu einem großen Teil aus Rohstoffexporten speisen, vor allem aus Öl und Gas. Für einen ausgeglichenen Haushalt benötigt die Regierung in Moskau einen Ölpreis von 105 Dollar pro Fass. Jeder Dollar weniger bedeutet für den Staatshaushalt Mindereinnahmen von rund zwei Milliarden Dollar. Man rechnet neue Krisenszenarien durch. Der Haushalt sieht bisher noch Ausgaben von umgerechnet 200 Milliarden Euro vor, bei einer Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts – aber die Berechnung geht noch von einem Ölpreis von 42 Dollar aus.

Die Preiskrise dürfte Russlands Wirtschaft auch 2016 schrumpfen lassen. Bei einem Ölpreis im Jahresdurchschnitt von 35 Dollar rechnet die Zentralbank mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft von bis zu drei Prozent. Die Neuverschuldung könnte auf bis zu fünf Prozent hochschnellen.

Finanzminister Anton Siluanow warnte: Das Budget müsse schleunig angepasst werden. „Wenn wir das nicht tun, wird das Gleiche passieren wie 1998/99“, sagte er.

Das ist eine Warnung, die jeder Russe versteht: 1998 stürzte Russland in den Staatsbankrott. Der Rubel verlor extrem an Wert, Banken brachen zusammen, Millionen Russen verloren ihre Ersparnisse, die Inflation stieg auf 84 Prozent. Die Wirtschaft brauchte Jahre, um sich zu erholen.

Anders als damals ist der russische Staat heute allerdings kaum verschuldet. Russlands Devisenreserven belaufen sich noch immer auf über 400 Milliarden Dollar; allerdings sinkend!

Die Mahnung des Finanzministers ist auch taktischer Natur. Siluanow stehen Verhandlungen mit seinen Kabinettskollegen über das nötige Sparprogramm bevor, die Kürzungen sollen sich auf zehn Prozent belaufen.

Für Wladimir Putin könnte 2016 eines der schwierigsten Jahre seiner Präsidentschaft werden. Er hat versprochen, trotz Einnahmeausfällen die Steuern nicht zu erhöhen. Tut er dies dennoch, könnte die Kreml-Partei „Einiges Russland“ die Quittung bekommen. Im September wählen die Russen ein neues Parlament. Ende des vergangenen Jahres protestierten bereits die Fernfahrer gegen die Einführung einer Lkw-Maut.

Der Präsident hat in der Krise stets Optimismus demonstriert, bis zur Realitätsverweigerung. Ende 2014 – der Absturz der Energiemärkte hatte begonnen – beteuerte Putin, langfristig könne der Ölpreis gar nicht unter 80 Dollar fallen, denn das werde „die Weltwirtschaft zerstören“. Im November 2015 verkündete Putin, man habe den wirtschaftlichen Wendepunkt erreicht, als Nächstes werde es darum gehen, „ein stabiles Wachstumstempo“ zu erreichen.

Jetzt rächt sich, dass Russland nicht früher seine Abhängigkeit von Rohstoffexporten gesenkt hat.

Wie schwierig Sparrunden in Russland werden können, hat Siluanow im vergangenen Jahr erfahren: Auch damals sollten zehn Prozent der Ausgaben gekürzt werden. Die Einsparungen wurden fast vollständig aufgezehrt durch Rentenzuschläge, mit denen Ruheständler für die steigende Inflation entschädigt werden.

Die Inflation wird befeuert durch die Abwertung des Rubels. 2015 lag sie bei elf Prozent, allein Lebensmittel wurden um 20 Prozent teurer. Das lässt immer mehr Menschen unter das Existenzminimum rutschen: 2014 waren es noch 18,9 Millionen, im vergangenen Jahr schon 22 Millionen Russen.

Trotz der Probleme: Putins Beliebtheit wankt kaum. Umfragen zufolge glauben gerade einmal acht Prozent, dass es ihnen 2016 schlechter gehen wird als im Jahr zuvor. Fast jeder zweite glaubt sogar, es werde besser. Wohl dem …