Es ist schon einige Zeit her, dass seitens der Damen die Aufforderung kam, die Männer mögen sich emanzipieren. Die Frauen haben es hinter sich gebracht, das mit der Emanzipation. „Emancipatio“, römisch für die Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt oder die Freilassung des Haussklaven. Es geht also um Befreiung. Befreiung von einem Rollenbild, das teilweise Jahrhunderte alt war. Die Frau: kein vollwertiger Mensch, nicht zum Denken fähig, „Eva, die Üble!“, Besitz des Mannes, kein Wahlrecht usw.. Die Suffragetten räumten mit letzterem und einigem anderen Anfang des letzten Jahrhunderts auf. Eine Folgewelle gab es in den 1960er und 70er Jahren, wenn auch nicht mehr von so grundlegender Bedeutung. Frau streifte Hüllen ab, „häutete“ sich. Übrig nach dem ganzen Procedere blieb der nackte Mensch: vernunftbegabt, fähig, den Verstand zu gebrauchen und Rechte innezuhaben. Klingt wenig, ist aber ein verdammt guter Anfang!

Die Männer? „Die Bestie der Gesellschaft!“, „Ein Mann allein ist eine Gefahr für seine Umgebung!“, usw.. Umschreibungen, die aus dem ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert stammen. Nicht etwa von frustrierten Frauen – nein! Sie stammen von Geschlechtsgenossen. Die Männer schleppen immer noch viel alten Ballast mit sich rum. Man(n) ist eingezwängt in alte Rollenklischees. Das, obwohl die Gesellschaft sich bis heute, 2016, rasant weiterentwickelt hat. Sind wir ehrlich: trotz allem modernen Getue, so tief in uns drin: der 30-jährige, der mit seinen drei Kindern im Sommer auf dem Spielplatz unter der Woche sitzt, ist nicht fähig, seine Familie zu ernähren. Mama muss ran! Weichei! Ich liege falsch?! Ok. Trotzdem behaupte ich: die Männer sind nicht emanzipiert. Emanzipation – oben dargelegt – ist nicht Gleichmacherei, sondern Befreiung von alten Rollenbildern. Und die Männer brauchen da noch ein bisschen Zeit …

Was hat das Ganze mit Integration zu tun? Erst einmal gar nichts. Auf den zweiten Blick: sehr viel! Wer von Ausländern – aktuell unseren Migranten – verlangt, sie mögen sich integrieren, der prüfe, wie weit er selbst integriert ist. Wenn wir uns zum Maßstab machen, dann muss dieses Bemessungskriterium auch korrekt sein. Was ist „deutsch“? Mich interessiert hier nicht, was in Artikel 116 des Grundgesetzes steht. Manche Parolen geben einem zu denken: „die solen doch ärst mahl riechtig deutch lärnen!“. Die Familie des Verfassers lebt seit Jahrhunderten im deutschen Raum. Bedenklich! Auch die Tatsache, dass Menschen, die in der dritten Generation in Deutschland leben, einen „Migrationshintergrund“ haben, lässt einen aufhorchen. „Sie sprechen aber gut Deutsch!“. Was denn sonst?! Würde man Personen, deren Familienname „Schimanski“ oder „Podolski“ ist, einen „Migrationshintergrund“ unterstellen? Auch wenn deren Urväter vor rund 150 Jahren als „Gastarbeiter“ aus Polen in die Gruben des Ruhrgebietes zogen? Wohl nicht! Wessen Ahnen haben alle schon seit immer hier im deutschen Raum gelebt? Das kann niemand wissen und auch nicht von sich behaupten. Das ist der Punkt: Der landläufige deutsche Michel muss an dem Ort, an welchem er geboren ist, auch aufwachsen, seinem Beruf nachgehen, seine Kinder aufziehen und auch dort sterben. Was er nicht kennt, ist schlecht! Ich will frech behaupten, dass dieser Horizont nicht gerade einer der weitesten ist.

Integration kommt von lat. integrare, das heißt: erneuern, ergänzen, geistig auffrischen. Integration in soziologischer Hinsicht bedeutet, den allgemein Einbezug von Menschen, die aus ver-

schiedensten Gründen bisher ausgeschlossen (exkludiert) waren (Wikipedia). Wir verwechseln das immer gerne mit „assimilieren“; sich angleichen, Gleichmacherei! Das zeigt eindeutig, dass wir mit den Flüchtlingen ein Problem haben und nicht umgekehrt. So mancher Migrant ist mehr in der Welt herumgekommen als der übliche deutsche Michel. Wer viel gereist ist, hat etwas zu erzählen. Profitieren wir von diesem Wissen! Sehen wir Integration im Wortsinne als „Ergänzung“ und „geistige Auffrischung“. Von: „Es war schon immer so und so muss es bleiben!“ hat sich noch keine Gesellschaft weiterentwickelt. Das Neue ist ungewohnt, aber eine Bereicherung. Sicher muss ich mich in einem fremden Land an die dortigen Gepflogenheiten halten – das kann aber nicht dazu führen, dass man seine eigene Identität aufgibt. Ein Staat, der das fordert, bewegt sich mindestens am äußersten Rand einer freiheitlichen Demokratie. Man möge wachsam sein!