Angela Merkel hatte gezögert, hatte „unendlich viel darüber nachgedacht“. Eine vierte Amtszeit als Kanzlerin?

Oder einfach aufhören? Auch diesen Gedanken soll Merkel ernsthaft durchgespielt haben. Es wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen, ein einmaliges Kunststück: freiwillig aus diesem Amt zu scheiden!

Dann gewann Donald Trump die Wahlen in den USA. Barack Obama kam zu uns nach Deutschland, um „Good-bye“ zu sagen und der deutschen Kanzlerin nebenbei schweres Gepäck aufs Kreuz zu schnallen. Merkel stehe „auf der richtigen Seite der Geschichte“, so der Präsident. „Die Welt profitiert von ihrer steten Präsenz“.

Nun schließt dieses staatsmännische Lob Obamas eine Erwartungshaltung ein, die einen Rückzug Merkels mangels Alternativen ausschließt.

Brexit. Der Rechtsruck in Polen, Ungarn, Frankreich, Österreich und den Niederlanden. Die Autokratien in Russland und der Türkei. Trump. Vor diesem Hintergrund könne populistischer Zündelei nur mit demokratischem Brandschutz begegnet werden, so Obamas Botschaft.

Die New York Times erkannte am weltpolitischen Horizont bereits das demokratische Armageddon und erklärte Merkel zur „letzten Verteidigerin des liberalen Westens“.

Merkel saß in der Falle. In dieser Situation das Handtuch zu werfen, dürfte sich wie Fahnenflucht angefühlt haben. Schließlich hat Merkels Wort außenpolitisches Gewicht. Doch innenpolitisch hat die Kanzlerin nicht nur ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit, sondern längst auch Wählergunst verloren.

Angesichts der Krisen in Europa und der Welt sowie des wachsenden Populismus auch in Deutschland werde die Wahl wohl so schwierig wie keine zuvor seit der Wiedervereinigung, so Merkel.

Viele Wähler sehen in Merkel aber nicht die Lösung des Problems, sondern das Problem an sich.

Schafft das jemand, der mit „Wir schaffen das!“ (Wie nahe sie doch damit an „Yes, we can!“ war!) zwar einen richtigen Kurs vorgegeben, aber keinen Kompass zur Verfügung gestellt hatte? Als sich die Grenzen öffneten, war das Land unvorbereitet auf die enormen logistischen und kulturellen Herausforderungen. Eine Plötzlichkeit, die viele von uns überforderte.

Zum einen hatte sich die Union viel zu lange hinter der Allmacht ihrer Kanzlerin versteckt, anstatt nach einer ernsthaften Alternative für die Alternativlosigkeit zu suchen.

Zum anderen ist da aber auch Merkels umstrittenes Talent, sich innerparteilicher Konkurrenz in der K-Frage seit Jahren entledigen zu können.

Merkel will’s noch mal wissen? – Sie muss noch mal wollen, trifft es wohl besser.

Und „Mutti“ will nochmal! Laut Focus Online tritt Angela Merkel beim CDU-Parteitag in Essen wieder als Parteichefin an – und will auch erneut Kanzlerin werden. Auf der Pressekonferenz in Berlin hat sie ihre Ambitionen nun selbst bestätigt.

Sie selbst halte sich nicht für alternativlos, so Merkel. „Jeder Mensch ist ersetzbar“. Ihr seien bei der Entscheidung für eine Kandidatur die Fragen wichtig gewesen: „Kannst Du dem Land noch was geben? Bist Du noch neugierig genug? Reicht Deine Kraft, das zu machen?“. Seit Sommer habe sie jeden Tag über diese Fragen nachgedacht.

Eine schwere, mutige Entscheidung. Aber sie spricht für die Kanzlerin: Sie hat Verantwortungsgefühl! Und dieser Verantwortung will sie sich stellen.

Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss:

Dass sie den Kelch nun nicht weiterreichen kann, hat sie selbst zu verantworten.

Die Wählerschaft wird es letztendlich entscheiden!