„Da bewegt sich nix“: Sigmar Gabriel hält die TTIP-Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten de facto für gescheitert. Das Ceta-Abkommen mit Kanada hingegen verteidigt er – gegen den Widerstand seiner Partei.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA keine Chance mehr. Die Verhandlungen mit den USA seien faktisch gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen als Europäer nicht unterwerfen dürften, so Gabriel in einem Fernsehinterview. Nichts bewegt sich! In 14 Verhandlungsrunden hätten die Unterhändler nicht in einem einzigen von 27 Themenbereichen Einigung erzielt.

Warum sind die Verhandlungen ins Stocken geraten?

Streitpunkte gibt es einige. Im Wirtschaftsministerium wird verstärkt auf die öffentliche Beschaffung und den Investitionsschutz verwiesen.

  • Heikel ist die öffentliche Beschaffung, also die Frage, inwieweit Unternehmen künftig Zugang zu staatlichen Aufträgen auf der anderen Seite des Atlantiks bekommen. In den USA gelten oft sogenannte Buy-American-Klauseln, die Behörden zum Kauf bei einheimischen Herstellern verpflichten. Einen Großteil dieser Käufe tätigen Bundesstaaten oder Kommunen. Bislang zeigen die US-Verhandler offensichtlich keinerlei Bereitschaft, diese Ebenen in die Marktöffnung einzubeziehen.
  • Weit auseinander liegen die Positionen auch bei Zöllen. Hier wollen die Europäer Ausnahmen für bestimmte Agrarzölle, die USA für manche Autozölle. Ähnlich strittig ist der künftige Umgang mit Finanzdienstleistungen, bei denen der US-Verbraucherschutz als strenger gilt.
  • Kaum Bewegung gibt es schließlich bei Markenrechten: Hier wollen die Europäer ihr System geografisch geschützter Herkunftsbezeichnungen auch für den US-Markt durchsetzen. Die Amerikaner wollen dagegen auch weiterhin Champagner aus Kalifornien oder Nürnberger Würstchen aus Nebraska kaufen können.
  • Private Schiedsgerichte, vor denen Investoren wegen Regierungsentscheidungen auf Schadensersatz klagen können, waren von Anfang an ein kritischer Teil des Abkommens. Die EU will sie durch einen ständigen Schiedsgerichtshof ersetzen, vor dem Staaten im Gegensatz zum bisherigen Verfahren in Berufung gehen können. Nach Angaben aus Regierungskreisen sehen die USA dies ebenso kritisch wie das geplante Auswahlverfahren für Richter.

Wie unterscheiden sich TTIP und Ceta?

Sein Nein zu TTIP grenzt Gabriel klar vom Ja zum kanadisch-europäischen Abkommen Ceta ab. Er beklagt, die beiden Vertragswerke würden häufig verwechselt, zeigt sich aber sehr zuversichtlich, dass der SPD-Parteitag Ceta im kommenden Monat absegnen wird. Tatsächlich unterscheidet sich Ceta in einer Reihe von Punkten von TTIP. Der wichtigste: Den Schiedsgerichtshof, den die EU sich für TTIP wünscht, gibt es bei Ceta schon – dank Nachverhandlungen.

Dennoch muss Gabriel mit internem Widerstand rechnen. Nach Ansicht der Parteilinken könne kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments diesem Abkommen in der vorliegenden Fassung zustimmen. Die Ablehnung wird damit begründet, dass unter anderem Rechtsbegriffe in Ceta mangelhaft definiert seien. In Juristenkreisen ist wohlbekannt, dass es zu einem wesentlichen Teil auf die Auslegung der Klauseln ankommt.

Tatsächlich zeigt eine Analyse früherer Entscheidungen von Schiedsgerichten, dass verschiedene Gerichte in derselben Frage zu gegenteiligen Ergebnissen kommen können. So ist im Fall von Ceta beispielsweise unklar, wie weit der zugesagte Schutz öffentlicher Versorgungsunternehmen vor Klagen realiter reicht.

Entscheidend an Ceta dürfte etwas ganz anderes sein:

Im Gegensatz zu TTIP ist das Abkommen „ausverhandelt“ – für Wirtschaftsminister Gabriel damit schwerer zu stoppen.