Sie betört Experten und Laien weltweit. Ein Kunsthistoriker behauptet, dass der Liebhaber von Leonardo da Vinci als Vorlage für das Bildnis der Mona Lisa gedient habe. Neu ist diese Behauptung nicht. Es geistern die skurrilsten Verschwörungstheorien um das berühmte Meisterwerk.

Eine Theorie besagt: Mona Lisas berühmtes Lächeln stammt nicht von einer Frau, sondern von da Vincis Liebhaber Gian Giacomo Caprotti, seinem Lehrling. Ein Kunsthistoriker glaubt, dass das Bildnis eine Verschmelzung von zwei Personen darstellt. Einerseits soll da Vinci sich Lisa Gherardini, die florentinische Ehefrau eines reichen Kaufmanns, zum Vorbild genommen haben und andererseits seinen Liebhaber. Vor allem das Lächeln, ist Vinceti überzeugt, stammt nicht von der Frau. „Mona Lisa ist androgyn – halb Mann, halb Frau“, sagt der Kunsthistoriker gegenüber der Zeitung The Telegraph.

Die Theorie von Vinceti stützt sich auf eine neue Infrarot-Untersuchung des Gemäldes. Seine Behauptung stößt bei einem der weltweit führenden Leonardo da Vinci-Experten allerdings auf Skepsis: „Das ist ein Mischmasch aus Wissen, Halb-Wissen und kompletter Fantasie“, sagt Martin Kemp, emeritierter Kunstgeschichtsprofessor am Trinity College/Oxford, gegenüber der Zeitung.

Eine weitere Ansicht sieht das Geheimnis der Mona Lisa nicht in ihrem Lächeln, sondern in ihren Augen. Er will den Buchstaben S in ihrem linken Auge, ein L in ihrem rechten Auge und die Zahl 72 unter der Brücke im Hintergrund entdeckt haben. Der Forscher sieht damit neue Wege zur Identifizierung des Modells. Außerdem zeigten die Symbole, dass Leonardo da Vinci an Religion und Mystik interessiert gewesen sei.

Mit bloßem Auge sind die Symbole nicht zu erkennen. Sie sind sehr klein und mit einem feinen Pinsel aufgetragen worden.

Oder hat die Mona Lisa eine Doppelgängerin? Die „Isleworth Mona Lisa“ stammt laut wissenschaftlichen Tests tatsächlich aus der Hand Leonardo da Vincis, wie die Mona Lisa Foundation herausfand. Es ist eine frühere Version der bekannten Mona Lisa.

Die Analysen wurden unter anderem an der ETH Zürich vorgenommen. Die Diskussion um die Echtheit der „Ur-Mona-Lisa“ war aufgeflammt, als man das Bild in Genf präsentierte. Die Mona Lisa aus dem Pariser Louvre und die „Isleworth Mona Lisa“ sind nicht identisch. Es gibt einige Unterschiede. Laut der Stiftung saß aber offenbar die gleiche Frau Modell – im Abstand von zehn Jahren.

Oder war Mona Lisa eine Chinesin? Eventuell eine chinesische Sklavin – und die Mutter von Leonardo da Vinci? Mit dieser kühnen These hat ein italienischer Historiker vor allem bei chinesischen Internet-Nutzern ein gewaltiges Echo hervorgerufen. Einträge im Sozialnetzwerk Weibo, auf denen Mona Lisa die erstaunlichsten Metamorphosen durchmachte, wurde Millionen Mal angeschaut.

Im Hintergrund von Mona Lisa ist eine chinesische Landschaft zu sehen, und sogar ihr Gesicht sieht chinesisch aus. Auch Sigmund Freud war überzeugt, Leonardo habe sich für sein weltberühmtes Gemälde von seiner Mutter inspirieren lassen.

Sowohl um Leonardos Mutter Catarina als auch um das Modell der Mona Lisa ranken sich viele Gerüchte. Ein wohlhabender Kunde von Leonardos Vater hatte eine Sklavin namens Catarina. Nach 1452, dem Geburtsjahr Leonardos, verschwand sie aus den Dokumenten. Von diesem Hinweis auf eine chinesische Herkunft Catarinas zu schließen … – die Beweislage ist eher dünn!

Lächelt die Mona Lisa? Man weiß es nicht! Die Erklärungsversuche sind vielfältig. Jahrhundertelang wollte man mit ernstem Gesicht porträtiert werden. Warum also lächelt die Mona Lisa? Lächelt sie überhaupt? Es gibt ungezählte Theorien: Die Dargestellte litt an Zahnausfall beziehungsweise an einer Gesichtslähmung. Oder: Sie lächelt gar nicht – alles nur eine optische Täuschung. Die vielleicht schönste Theorie: Als das Bild entstand, war Mona Lisa – die in Wirklichkeit ganz anders hieß – schon tot. Um ihren kleinen Sohn zu trösten, ließ der Vater ein Bild von Mama anfertigen – zufrieden lächelnd. Für immer …

Das fünfhundert Jahre alte Ölbild „lebt“, es verändert sich und bekommt Falten.

Das passiert selbst einer Mona Lisa!

In der Kunstwelt gibt es in letzter Zeit eine beachtliche Zahl neuer Erkenntnisse. Das gilt insbesondere für Leonardo da Vinci. Wissenschaftler hatten mithilfe der sogenannten Strahlendiagnostik festgestellt, dass unter einem seiner berühmtesten Gemälde, der Londoner Felsgrottenmadonna, der eigenhändige Entwurf für ein ganz anderes religiöses Gemälde schlummert. Und dank derselben Technik verspricht nun eine neue wissenschaftliche Untersuchung auch das ewige Geheimnis der still lächelnden Mona Lisa zu lösen. Die These: Unter dem bekanntesten Frauenbildnis der Welt verberge sich ein anderes Porträt. Die Mona Lisa hat eventuell ein zweites Gesicht.

Spektakuläre Erkenntnisse – deswegen nicht unseriös – sind häufig das Resultat strahlendiagnostischer Analysen, beispielsweise der Infrarotreflektografie. Sie ist in den letzten Jahren stetig verbessert worden und ermöglicht einen tiefen Blick in die Farbschichten eines Gemäldes und gegebenenfalls in dessen Entwurfsprozess. In diese Tiefen drang bereits ein 2006 publiziertes Buch vor. Jetzt folgt der französische Wissenschaftler Pascal Cotte, der gerade seine Erkenntnisse einer detaillierten strahlendiagnostischen Versuchsreihe in seinem Buch Lumière on The Mona Lisa. Leonardo da Vinci. Hidden Portraits vorgestellt hat.

Im Detail versucht Cotte nachzuweisen, dass Leonardo sein Bild während des Malprozesses an etlichen Stellen verändert hat. Das betrifft beispielsweise die Umrisslinien im oberen Bereich des Kopfes sowie die Konturen der Hände und einzelner Finger. In der Binnenzeichnung finden sich Abweichungen vom endgültigen Erscheinungsbild der Mona Lisa bei der Detailgestaltung von Augen, Mund, Nase und Kleidung.

Das Herzstück der Argumentation Pascal Cottes ist Mona Lisas Lächeln. Sein Befund suggeriert, dass Leonardo in einem ursprünglichen Entwurf eine weniger in die Breite gezogene Lippen- und Mundpartie vorgesehen hatte. Demzufolge wäre also das Lächeln der Mona Lisa erst später entstanden als Resultat einer letzten Überarbeitungsstufe.

Einige der präsentierten Resultate sind seit Langem bekannt, beispielsweise die Varianten in der Länge der Hände. Die Abweichungen beim Außenkontur im oberen Kopfbereich sind nicht wirklich spektakulär und teilweise mit bloßem Auge zu erkennen. Andere Details kennen wir bereits durch Röntgenaufnahmen der letzten 60 Jahre. Neu hingegen ist die Vielzahl der Detailbefunde, die in der Tat die ohnehin schon seit Jahren intensiv geführte und sehr produktive Diskussion um Leonardos Entwurfspraxen befeuern dürfte.

Als ein Ergebnis der bisherigen Kontroverse schälte sich heraus, dass Leonardo in seinen Entwürfen keiner vorgegebenen Norm folgte, sondern das ganze Spektrum der bekannten Möglichkeiten ausschöpfte. Manchmal kam er vollkommen ohne Vorzeichnung aus und agierte frei. Ein anderes Mal übertrug er vorbereitete Kompositionen mithilfe von Kartons auf den Bildträger. Stimmen Cottes Resultate, dann war Leonardo in seiner Arbeit noch variabler als bislang angenommen.

Cotte kommt aufgrund seiner Ergebnisse zu weitreichenden Schlussfolgerungen. So geht er davon aus, dass die mit der Strahlendiagnostik sichtbar gemachten Linien von einem Ursprungsentwurf zeugen, der noch die Mona Lisa zeige, während mit der Endfassung des Gemäldes eine ganz andere Person gemeint gewesen sei. Mit anderen Worten: Das Gemälde müsste umbenannt werden. Aus der Mona Lisa würde das Bildnis einer Unbekannten. Auch diese Annahme ist nicht neu …

Es lässt sich aber nicht schlüssig sagen, wen Leonardo zunächst zeichnete und malte, um den Entwurf dann zugunsten der endgültigen Bildgestalt zu verwerfen. Welche Linien zu welcher Entstehungsphase gehören, bleibt eine Deutungsfrage.

Kritisch anzumerken ist, dass Cottes These von einem gewissen Unverständnis der künstlerischen Praxis Leonardo da Vincis zeugt. Der Künstler arbeitete sehr langsam und gelegentlich mit längeren Unterbrechungen an seinen Gemälden. Spuren von Überarbeitungen und kleineren Änderungen einer ursprünglichen Kompositionen oder einiger Details sind also keineswegs sensationell, sondern genau das, was wir von Leonardo erwarten dürfen. Letztendlich lassen sich so keine zweifelsfreien Schlüsse daraus ziehen, um wen genau es sich bei der Mona Lisa handelte.

Trotz aller wissenschaftlicher Exaktheit strahlendiagnostischer Untersuchungen darf man auch nicht übersehen, dass deren Ergebnisse bereits das Resultat von Interpretationen sind und einer historischen Einordnung bedürfen.