Erforderlich und angemessen oder Völkerrechtsbruch“? titelt die ZEIT.

Nach den Luftschlägen in Syrien will die Bundesregierung sich für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen einsetzen. Die Bundesregierung werde alle diplomatischen Mittel nutzen, um die Verhandlungen voranzubringen und dazu auch ihre Kanäle nach Russland nutzen, um dort auf eine konstruktive Haltung zu dringen, sagte Außenminister Heiko Maas am Samstag in Berlin. Als Vergeltungsmaßnahme für den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien, für den der Westen die Regierung unter Präsident Assad verantwortlich macht, hatten die USA, Großbritannien und Frankreich in der Nacht zum 14. April 2018 Ziele in Syrien angegriffen.

Ein Vergeltungsschlag alleine führt zu nichts, außer vielleicht zu einem Reputationsgewinn. Dass der Angriff weitere Menschenleben kosten würde oder dass die Militäraktion abenteuerlich fadenscheinig begründet war, sind nicht die Kritikpunkte. Kritiker zielen nicht auf humanistische Anliegen oder Putin-Trump oder Assad-Bashing ab, sondern auf etwas anderes und das macht es gerade interessant. Es gibt einen Standpunkt, der nicht selten ist.

Es geht um Europas unbedeutende Rolle in Syrien und es wäre wünschenswert, dass dies anders wäre. Dass Europa politische Relevanz im Syrien-Konflikt hätte. Immerhin hat der Kontinent mit einer große Menge Kriegsflüchtlinge zu tun.

Die Ansätze westlicher Syrien-Politik sind gescheitert. Nach sieben Jahren Syrien-Konflikt steht man vor einem Scherbenhaufen westlicher, im Übrigen damit auch europäischer und deutscher Syrien-Politik.

Ist das Nostalgie, die der verpassten Chancen und vergangener Größe westlicher Politik? Nein, empören wir uns doch! Wobei nicht ganz klar ist, worüber – über das europäische Versagen oder darüber, dass Russland und Iran die zentralen Akteure sind und eben nicht der Westen.

Wenn man die an die Wand gefahrene Syrien-Politik des Westens nimmt, wird am Resultat veranschaulicht, dass Assad trotz Ankündigungen westlicher Politiker noch immer an der Macht ist. Dies hilft nicht viel weiter, sagt es uns doch noch lange nicht, wie ein anderer Plan aussehen hätte können oder aussieht und welche Chancen er in Europa gehabt hätte oder hat.

Wo ist die rechtliche Grundlage für den Angriff? Die rechtliche Grundlage wäre Selbstverteidigung gewesen oder die Autorität des UN-Sicherheitsrats. Die humanitäre Intervention ist ein rechtlich fragwürdiges Konzept.

Nur eine politische Lösung könne dauerhaften Frieden in dem Bürgerkriegsland bringen, unterstrich Außenminister Maas in Berlin. Deutschland wolle sich mit Frankreich für die Schaffung eines internationalen Formats einflussreicher Staaten einsetzen, das den politischen Prozess voranbringen könne. Zuerst brauche es einen dauerhaften Waffenstillstand in Syrien, damit humanitäre Hilfe wieder möglich werde. Dann seien eine Übergangsregierung, eine Verfassungsreform und Wahlen notwendig. Die Chemiewaffenbestände in Syrien sollten unter Aufsicht der Vereinten Nationen zerstört werden. Das hatten Putin und Assad schon zu Zeiten der Obama-Regierung zugesagt, aber bis heute nicht wahrgemacht.

Natürlich kann man den USA und ihren Verbündeten den Bruch des Völkerrechts vorwerfen, doch der UNO-Sicherheitsrat, der für völkerrechtskonforme Militärschläge zuständig wäre, hat sich wegen des russischen Vetos zu oft als handlungsunfähig erwiesen. Die Verantwortung dafür, dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät, „liegt jetzt bei Russlands Präsident Wladimir Putin, der entgegen allen Versprechen zugelassen hat, dass Syrien seine Chemiewaffen nicht vernichtete“ (NZZ).

Der syrische Diktator hat sich einmal mehr über das internationale Verbot solcher Waffen hinweggesetzt. Seine Herausforderung zu ignorieren hätte nicht nur bedeutet, dass man Assad erlaubt, weiterhin Massenvernichtungswaffen gegen sein eigenes Volk einzusetzen. Man hätte zudem eine Normalisierung der chemischen Kriegführung riskiert, die als Reaktion auf die Gräuel des Ersten Weltkriegs seit 1925 verboten ist.

Man geht davon aus, dass von den 10 Millionen Toten des Ersten Weltkrieges ca. 90.000 – 0,9 Prozent (!) – durch die Einwirkung von chemischen Kampfstoffen zu beklagen waren (Wikipedia).

Es ist eine Schande, dass wir es in dem Jahr, in welchem wir uns des letzten Jahres dieser Urkatastrophe vor 100 Jahren besinnen, nicht geschafft haben, das bestialische Morden mit Chemiewaffen aus dem menschlichen Repertoire der Grausamkeiten zu streichen.