ie CSU sucht in der Frage nach Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze weiter die Eskalation mit der Schwesterpartei CDU. Das sind im Schnitt fünf Menschen je Tag, teilte die Bundespolizei in Passau mit. 60 Prozent davon würden nach einer ausführlichen Befragung wieder nach Österreich zurückgeschickt. In diesen Fällen hätten „keine ausreichenden Gründe“ für eine Einreise ohne Papiere und keine entsprechenden Fluchtgründe vorgelegen.

Die Zahl der einreisewilligen Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze ist in den vergangenen Monaten erheblich zurückgegangen: von 140.000 Flüchtlingen im Oktober 2015 auf 23.000 im Januar 2016 am Hotspot Passau. Schon 2017 wollten nur noch 200 Menschen pro Monat ohne Papiere über Passau einreisen.

Merkel will Ende Juni bei einem EU-Gipfel über das Thema beraten und eine europäische Lösung finden. So lange will die Schwester CSU aber nicht warten. Markus Söder glaubt nicht an eine europäische Einigung. Seit drei Jahren werde darüber diskutiert, dass Europa eine einheitliche Regelung finden solle. Wie solle das, was in drei Jahren nicht funktioniert hat, plötzlich in zwei Wochen klappen?! Selbst wenn in zwei Wochen entschieden würde, dass es Einzelverträge zwischen Deutschland und anderen Ländern geben soll, würde es monate- bzw. jahrelange Verhandlungen geben.

Der Flüchtlingsrat warnte vor einem „Schiffbruch“ der europäischen Flüchtlingspolitik. Denn setze sich die CSU durch, müsse die bayerisch-österreichische Grenze sehr viel stärker bewacht werden als bisher. Österreich werde gleichziehen und am Brenner eine Barriere für Flüchtlinge hochziehen. Auch Italien werde keine Flüchtlinge mehr ins Land lassen.

Das heißt im Klartext: Mehr Menschen werden im Mittelmeer ertrinken oder in libyschen Sklavenlagern verzweifeln.

Einen Gewinner gibt es allerdings: Wolfgang Schäuble! Der Bundestagspräsident sicherte mit einem flammenden Bekenntnis für Europa vor den Unionsabgeordneten der Kanzlerin wieder einmal das politische Überleben. Bereits bei der Euro-Krise war es Schäuble, der den Laden für Merkel gegen den Widerstand vieler Abgeordneter zusammenhielt.

Ewig geht das aber nicht. Die Entscheidung im Streit zwischen den Schwesterparteien CSU und CDU über die Asylpolitik lässt sich allenfalls noch um Tage, aber nicht mehr um Monate aufschieben. Die CDU und ihre Fast-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer versuchen nun zwar, nach altem Rezept die Gleichung aufzustellen: „Stürzt Merkel, stirbt Europa“. Aber Horst Seehofer wird nicht „in die Pantoffeln Thomas de Maizières steigen“ (handelsblatt.com). Die CSU setzt jetzt alles auf eine Karte. Wie auch immer man sich die nächsten Tage dieser Koalition ausmalt, es werden deren letzte Tage werden, wenn Merkel nicht nachgibt.

Die Verhandlungen auf europäischer Ebene können daran nichts ändern. Merkel wird die Verhandlungsergebnisse nicht mehr an ihren eigenen Maßstäben messen können, sie muss sich nach der CSU richten. Denn die wird tun, was sie tun will – jetzt oder nie. Es spricht viel dafür, dass Seehofer nicht schon am Anfang kommender Woche vollendete Tatsachen schafft.

Sie wird es gleichwohl später tun, was für Merkel bedeutet, dass sie in ihren Verhandlungen mit den europäischen Partnern alles andere als frei sein wird. Was auch immer sie nach Hause bringen wird, sie ist danach Kanzlerin „von CSU-Gnaden“ (faz.net).

Es ist eine dramatische Lage, in die sich CDU und CSU manövriert haben. Knapp 100 Tage nach Vereidigung der Regierung stecken sie in einem handfesten Streit über die Flüchtlingspolitik, welcher Erinnerungen an den letzten, mühsam beigelegten Zoff in dieser Hinsicht aufkommen lässt.

Dieser Streit lässt an Umsicht, wie auch am Verantwortungsbewusstsein der Schwesterparteien zweifeln und hat das Potenzial, sich zu einem Regierungsbruch auszuweiten.

Da ist Horst Seehofer, der unbedingt eine Trophäe nach Bayern schleppen will (berliner-zeitung.de). Dafür hat er sein Gesetzespaket nicht nur mit dem bis zur Lächerlichkeit großspurigen Titel „Masterplan“ garniert, sondern einen Punkt darin aufgenommen, der den Widerspruch der Kanzlerin einprogrammiert hatte.

Am 14. Oktober diesen Jahres ist Landtagswahl in Bayern …