Die russische Opposition sieht sich einer doppelten Strategie des Regimes gegenüber, die einerseits aus Kooptation oder Einbindung und andererseits aus Repression besteht. So gibt es im Parlament neben der Regierungspartei Einiges Russland durchaus Oppositionsparteien, die sich regierungskritisch äußern und regelmäßig ernstzunehmende Stimmenanteile auf sich vereinen. Dazu gehören etwa die Kommunistische Partei als zweitstärkste Kraft oder das
sozialdemokratische Gerechte Russland. Sie können jedoch ihre Oppositionsarbeit vor allem ausüben, da sie sich bei wichtigen Abstimmungen an die Regierungslinie halten und somit keine wirkliche Herausforderung für die politische Agenda des russischen Regimes darstellen. Anders stellt sich die Lage bei politischen oder explizit regierungskritischen Themen
dar. Hier sind Akteure Repressionen ausgesetzt und werden systematisch in ihrer Arbeit eingeschränkt. In den letzten Jahren ist auch im zivilgesellschaftlichen Bereich ein Trend zur Isolation zu beobachten. So müssen sich beispielsweise
Nichtregierungsorganisationen, die finanzielle Unterstützung von internationalen Partnern erhalten, seit 2012 in eine Liste eintragen lassen, die den bewusst diffamierenden Namen „Liste Ausländischer Agenten“ trägt (lpb-bw.de). In den folgenden Jahren wurde diese Gesetzgebung bis heute wiederholt verschärft. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial, die aufgrund ihrer Arbeit und ihres Einsatzes für die Wahrung der Menschenrechte und politische Gefangene in Russland selbst auf der Liste der Ausländischen Agenten steht, zählt per 04/2021 351 politische GefangeneAktivisten in Russland drohen lange Haftstrafen. Kreml-Kritiker wie der Moskauer Kommunalpolitiker Ilja Jaschin und der Oppositionsaktivist Wladimir Kara-Mursa wurden zunächst zu kurzen Haftstrafen verurteilt, bevor sie wegen schwerwiegenderer Vergehen angeklagt wurden. Jaschin ist kürzlich wegen der Verbreitung von „Falschinformationen“ über den Ukrainekrieg zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Russische Oligarchen, die eigentlich als Unterstützer Putins gelten, sind mittlerweile nur noch „Geldbörsen“ für ihn, die den Krieg finanzieren. Viel Einfluss auf die russische Politik haben sie nicht mehr. Ein Elitenkonflikt droht mit großer Wahrscheinlichkeit. Dass es bereits Spalten im System Putins gibt, ist daran zu erkennen, dass viele Oligarchen unzufrieden damit sind, dass ihr Leben durch die Sanktionspolitik des Westens eingeschränkt ist. Deshalb suchen einige nach alternativen Wegen für eine Zukunft Russlands und nehmen sogar Kontakt zur russischen Opposition auf. Der koloniale Blick ist ein Erbe der sowjetischen Schulbildung. Der Geschichtsunterricht, die Schullektüren beeinflussen auch die liberalen Eliten bis heute“ (Maxim Kurnikow, russischer Journalist).

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