Hinter den Ermittlungen um Bestechung im Europaparlament steckt auch ein Geheimdienst-Krimi mit einem Ermittler wie aus einem Roman. Eva Kaili schiebt die Schuld offenbar auf ihren Lebensgefährten, der zugibt, Teil einer kriminellen Organisation zu sein (sueddeutsche.de). Ob Bestechung oder Bestechlichkeit im internationalen Geschäftsverkehr oder im eigenen Land, ob Käuflichkeit in der Politik oder der Versuch, durch Schmiergelder
Vorteile zu erlangen – Korruption verursacht nicht nur materielle Schäden, sondern untergräbt auch das Fundament einer Gesellschaft. In unserem Fall ist es die Integrität des Europaparlamentes und seiner Abgeordneten. Die Ermittler werfen Kaili, der inzwischen geschassten Vizepräsidentin des Parlaments vor, gegen Bezahlung zugunsten der autokratischen Staaten Katar und Marokko interveniert haben. So äußerte sich Kaili in einer Parlamentsrede positiv über die Reformen in Katar und engagierte sich offenbar intern für Visa-Erleichterungen für Bürger des Emirats. Weil Gefahr im Verzug war, fuhren die Ermittler sofort mit einem Durchsuchungsbefehl zur nahe gelegenen Wohnung Kailis. Sie fanden dort Luxushandtaschen, Mobiltelefone und weitere 150.000 Euro (welt.de). Insgesamt
wurden bisher fast 20 Wohnungen und Büros durchsucht, rund 1,5 Millionen Euro wurden sichergestellt. Die Korruptionsaffäre im Europaparlament könnte aus einem zweitklassigen Mafia-Thriller stammen. Während die Polizei am Wochenende Hausdurchsuchungen bei den Verdächtigen durchführte, versuchte der Vater der Hauptverdächtigen, Eva Kaili, sich noch mit einem Koffer mit 600.000 Euro davonzustehlen. Die Werte Europas, für die wir auf unserem Kontinent stehen, sind Tatsache in Gefahr. Aber der Rechtsstaat funktioniert. Man geht gegen die schwarzen Schafe vor. Es ist keineswegs so, dass der Rechtsstaat nicht funktionierte, wie zum Beispiel Viktor
Orbán uns glauben machen will. Nein, er fasse sich an die eigene Nase: Die Korruption in Ungarn ist unvergleichlich
hoch, das Rechtsstaatssystem wurde in der Vergangenheit abgebaut und politisiert. Nein, solche Mitglieder brauchen wir nicht! Die Milliarden für Ungarn wurden zu recht eingefroren; Europa kann sich keine Schmarotzer und Querulanten leisten. Tja, wer im Glashaus sitzt, der werfe nicht mit Steinen …
Aber: Der Skandal wird wegen seines Umfangs und wegen der internationalen Schlagzeilen längere Zeit im Gedächtnis bleiben. Und er bestätigt alle diejenigen, die vor allem von rechts sowieso gegen die EU hetzen, ihre Politik und Institutionen in Zweifel ziehen. Überfällig ist die Verschärfung des Transparenzregisters. Bisher mussten nur Treffen mit Firmen und Organisationen angegeben werden. Vertreter von Staaten waren ausgenommen – mit Verweis auf die nötige diplomatische Diskretion. Noch letztes Jahr hatte eine Mehrheit im Parlament abgelehnt, die Treffen mit Vertretern ausländischer Regierungen zu veröffentlichen. Es ist zu hoffen, dass der „Katar-Schock“ (handelsblatt.com) ausreicht, um die Parlamentarier nun zum Handeln zu bewegen.