Mit einem beispiellosen Schritt will die Bundesrepublik die Eigentumsrechte an den
als Raubgut aus der Kolonialzeit geltenden Benin-Bronzen den nigerianischen
Verhandlungspartnern übereignen. In einer Absichtserklärung (Memorandum of
understanding) wurden die Eckpunkte dafür von Vertretern beider Seiten in der
nigerianischen Hauptstadt Abuja unterzeichnet. Zudem sind weiter substanzielle
Rückgaben vorgesehen. Einzelheiten sollen beim nächsten Treffen voraussichtlich
im Dezember vereinbart werden (dpa).
Die kunstvollen Benin-Bronzen stehen aktuell im Zentrum heftiger Debatten um
Rückgaben. Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des
Jahres 1897. Es sind Kunstwerke aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin.
Rund 1.100 Bronzen sind in zahlreichen deutschen Museen zu finden, auch im
Berliner Humboldt Forum sollen sie gezeigt werden. Bestände sind unter anderem zu
finden in den Völkerkundemuseen Dresden/Leipzig sowie dem Ethnologischen
Museum in Berlin (idowa.de).
So auch in Frankreich: Zu 26 Exponaten, die fast alle aus harten Tropenhölzern
geschnitzt wurden, gehören lebensgroße Statuen von drei Königen, zwei Thronsessel
der Könige Ghézo und Glèlè, die von 1818 bis 1889 regierten, kunstvoll verzierte
Türen, ferner aus Kalebassen gefertigte Gefäße, kleine metallene Glockenspiele und
handgewebte Teppiche. All diese Stücke waren von der französischen Kolonialarmee
unter General Alfred Doddsdes bei der Einnahme des königlichen Palastes in Abomey
1892 geraubt worden (nd-aktuell.de). Während der letzte Monarch, König Béhanzin,
mit seiner Familie zunächst in die französische Kolonie Martinique verbannt und
später nach Algerien, wo er bis zu seinem Tod 1906 unter Hausarrest stand, wurden
die Kunstwerke nach Frankreich verschleppt, wo der General sie dem
Völkerkundemuseum am Pariser Place du Trocadéro schenkte.
Artefakte aus Afrika sind überwiegend Stämmen zuzuordnen, deren Nachfahren sich
heute oft auf verschiedene Länder verteilen. Wer wäre dort der offizielle
Ansprechpartner?
Auch wollen manche Staatsregierungen nur bestimmte Objekte zurückhaben, die ihrer
parteiischen Sicht auf die Nationalgeschichte entsprechen; dem sollte man nicht
Vorschub leisten. Und dann gibt es Länder mit Bürgerkriegen, in denen die Gefahr
besteht, dass Kulturgüter des Gegners bewusst zerstört werden.
In deutschen Völkerkundemuseen lagern rd. eine Million Objekte, deren Provenienz
in vielen Fällen nicht geklärt ist. Ihre komplette Rückgabe ist unmöglich.
Die meisten Experten plädieren daher für individuelle Lösungen. Man könnte Teile
zurückgeben, man könnte die Besitzverhältnisse umkehren und die Objekte als
Leihgaben der Ursprungsländer zeigen, man sollte Sammlungen digitalisieren und so
weltweit zugänglich machen.
Die radikale Position aber, alle jemals in Afrika geraubten Objekte zurückzugeben,
wird der komplizierten Wirklichkeit nicht gerecht. Wie bereits erwähnt, weiß man oft
nicht mehr, aus welcher Region bzw. von welchem Stamm die Kunstobjekte
stammen.

Der Kolonialismus und all die Verwerfungen, die europäische Gewaltherrschaft in
den eroberten Gebieten ausgelöst hat, würde bislang bei uns kaum erzählt.
Es ist an der Zeit, dass sich hieran etwas ändert.

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