Zu Beginn des Infernos befindet sich Dante im dunklen Wald des Irrtums, wo sein Weg zum Berg der Freude von den drei Tieren der Weltlichkeit blockiert wird: Der Leopard der Bosheit und des Betrugs, der Löwe der Gewalt und der Ehrgeiz und Die Wolfsfrau der Inkontinenz. Glücklicherweise erscheint der große römische Dichter Virgil, der die menschliche Vernunft vertritt, und bietet an, Dante auf seiner spirituellen Reise durch die neun Kreise der Hölle zu führen. Dante würde schließlich von seiner längst verlorenen Liebe Beatrice, die die göttliche Liebe symbolisiert, getroffen und zum Berg der Freude geführt. Am Ende seiner allegorischen Reise hofft Dante, sich und seine Situation besser zu verstehen und mit seinem Exil in Frieden zu sein. Kurz nachdem Dante Die Göttliche Komödie vollendet hat, stirbt er im Alter von 56 Jahren, ohne sein geliebtes Florenz wiederzusehen.

Dante und die Welt … Kaum besser als heute.

Dante auf Höllentour fällt öfter in Ohnmacht und hält das, was er sieht, schier nicht aus. Er sieht nackte Menschen in blubbernd heißen Blutbädern, passiert gefräßige Höllenhunde, qualmende Gräber und nach Kloake stinkende Felder, er überquert den Phlegethon, „den Fluss des Blutes, in dem ein jeder siedet/ der durch Gewalttat einem anderen schadet“. Hier werden Tyrannen wie Alexander der Große in einem „scharlachroten Sud“ gesotten.

Inferno, der italienische Begriff für Hölle, von Lateinisch infernus („unterirdisch, zur Unterwelt gehörig“) hat sich seit 700 Jahren Dante so dermaßen tief in unsere kulturelle DNA eingeschrieben, dass wir Waldbrände und Feuerwalzen als Inferno bezeichnen. Zwar hat Dante Alighieri die Hölle nicht erfunden; aber er hat sie so plastisch geschildert wie kein zweiter. 

Berichte über die weltweiten Waldbrände sprechen heute noch oft vom „Inferno“ – und zitieren damit Dante. Der italienische Dichter hat unsere abendländische Vorstellung von der Hölle stärker geprägt als die Bibel. 

Florenz, das „Manhattan des Mittelalters“, wie es in der Rückschau gern genannt wird (furche.at), war zerrissen von Machtkämpfen, die denen der heutigen Mafia in nichts nachstehen, und faschistisch-klerikale Gruppierungen lieferten sich mit den aufkommenden bürgerlichen Clans Fehden bis aufs Blut. Von alldem zeugt Dantes Inferno; er besiedelt „seine“ Hölle mit Menschen, die er entweder selbst gekannt hat oder die in Beziehung zur leidvollen Geschichte Norditaliens stehen, da und dort taucht auch eine Figur aus den antiken Mythen auf.

Dante dichtete polemisch, wenn man will, sogar revolutionär. Er war ein konservativer Revolutionär – gegen alles, was damals neu war in Florenz. 1256 führt Florenz als erste Stadt der neuen Welt seit der Antike eine Goldwährung ein: den Gulden. Wenn wir alte Handschriften lesen, steht dort oft ein kleines „fl“, als Abkürzung für „florentinus“ (Kurt Flasch, Philosoph, in welt.de, 25.05.2015). Florenz hat im 13. Jahrhundert ein internationales Geldsystem aufgebaut. Man konnte in Brügge mit einem florentinischen Wechsel Geld bekommen. Die Geldbesessenheit der Florentiner geißelte Dante. Der florierende Kapitalismus sorgte für eine enorme Zuwanderung aus den umliegenden Dörfern – jeder wollte Bürger von Florenz werden –, es gibt Neid, Gier und Konflikte.

Geneigte Leser/-innen mögen entscheiden, ob Parallelen zur modernen Welt beabsichtigt waren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert