Als einzige Fraktion des Deutschen Bundestags war die AfD in der zu Ende gehenden Wahlperiode nicht im sechsköpfigen Präsidium vertreten. Viele Abgeordnete der anderen Fraktionen verweigerten ihnen in der geheimen Abstimmung die Stimme, weil sie die Rechtspopulisten grundsätzlich nicht im Leitungsgremium des Bundestags vertreten sehen. Die AfD kritisierte das als undemokratischen Akt der Ausgrenzung. Mit ihrem Eilantrag hatte sie erreichen wollen, dass der Bundestag „vorläufig verfahrensmäßige Vorkehrungen“ (zeit.de) für die Wahl des Präsidiums treffen muss.
Die Partei wolle ein neues und allgemeingültiges Verfahrensrecht, was im Eilverfahren nicht geschaffen werden könne, so das Verfassungsgericht. Bei diesem gehe es nur um eine vorläufige Sicherung von Rechten – „dringender Regelungsbedarf“ bestehe hier aber nicht.
Über die eigentlichen Klagen ist damit noch nicht entschieden.
Was auf den ersten Blick wie eine Formalität erscheinen mag, ist in Wahrheit eine Frage des Respekts und der Ernsthaftigkeit. Wer Eilanträge stellt gegen oberste Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, muss deren Dringlichkeit überzeugend darlegen. Die ist offensichtlich in diesem Fall nicht geschehen.
In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags ist in § 2, Absatz 1, Satz 2 geregelt, dass jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten ist. Das gilt auch für die AfD. Doch Absatz 2, Satz 1 legt fest, dass nur der gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags erhält. Und zwar in geheimer Wahl.
Die Frage muss also lauten, ob eine Partei einen unbedingten Anspruch auf Besetzung eines Vizepräsidentenpostens hat oder nur bei Erreichen einer entsprechenden Mehrheit.
Um es deutlich zu formulieren: Der Bundestag – hat wie jedes frei gewählte Parlament der Welt – das Recht, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben. Eine Partei, die glaubt, man könne dem Parlament in solchen Fragen mal eben per richterlichem Eilantrag ins Lenkrad greifen, hat das Grundgesetz nicht verstanden.
Am 10. November 2021 (SPON) will das Bundesverfassungsgericht im Hauptsacheverfahren prüfen, ob bei der Wahl zum Bundestags-Vizepräsidenten ab dem zweiten Wahlgang ein einzelner Abgeordneter in seinem Recht verletzt wird, wenn er eine eigene Kandidatin oder Kandidaten nicht zur Abstimmung vorschlagen darf.
In Bayern verlor die dortige AfD-Landtagsfraktion derweil eine Klage (tagesspiegel.de). Der Landtag kann Mitglied in dem gegen Rechtsextremisten gerichteten „Bündnis für Toleranz“ bleiben. Der Verfassungsgerichtshof in München wies eine Klage der AfD-Fraktion am Mittwoch ab. Die Mitgliedschaft in dem Bündnis verletzt laut Urteil nicht die Neutralitätspflicht des Staates. Die AfD wollte die Mitgliedschaft des Landtags in dem 2005 auf Initiative der Kirchen gegründeten Bündnis aufkündigen. Das hatte der Ältestenrat des Landtags abgelehnt, daraufhin hatte die AfD Bayerns höchstes Gericht angerufen.