Das wegweisende Urteil setzt die Politik beim Klimaschutz unter Druck. Das Bundesverfassungsgericht entschied am Donnerstag, dass die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz nachbessern muss, um die Freiheitsrechte jüngerer Generationen zu schützen. Union und SPD gaben sich umgehend gegenseitig die Schuld für die Versäumnisse, kündigten aber eine rasche Reaktion an. Vor allem Klimaschützer sehen sich in ihrer Kritik an der Regierung bestätigt.
Das Klimaschutzgesetz wurde Ende 2019 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Es legt für die Jahre bis 2030 für einzelne Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude fest, wie viel Treibhausgase sie in welchem Jahr ausstoßen dürfen. Das soll dazu beitragen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, um die Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten.
Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber, bis Ende 2022 die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 genauer zu regeln. Damit waren Verfassungsbeschwerden mehrerer Klimaschützer zum Teil erfolgreich (Az.: u.a. 1 BvR 2656/18). Die teils noch sehr jungen Leute seien durch Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärten die Richter. „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“ (focus,de).
Einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar. „Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind“, heißt es in der Erklärung. Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, „um diese hohen Lasten abzumildern“ (taz.de).
Klimaschutz ist somit auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.
„Um das (Ziel) zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden“ (zdf.de). Daher muss der Gesetzgeber nun bis Ende 2022 die Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen für die Zeit nach 2030 näher regeln.
In der Europäischen Union laufen auch Verfahren zum Thema Klimaschutz vor den obersten Gerichten in Belgien und Frankreich, in Italien wird laut Winter eine Klage vorbereitet. Auch in den Vereinigten Staaten sind Verfahren anhängig. Im bislang größten Fall kamen drei Richter am Bundesgericht von Oregon indes zu einem 2:1-Urteil, dass Entscheidungen zu Maßnahmen gegen den Klimawandel eine Angelegenheit der Politik seien und nicht der Justiz.
Die politischen Folgen des Urteils sind vielschichtig. Fraglich scheint es, ob die schwarz-rote Koalition noch eine Reform des Gesetzes hinbekommt. Wahrscheinlicher ist, dass eine neue Bundesregierung die Reform anpacken muss.
Das Gericht stellte fest, dass sich aus dem Grundgesetz – vor allem aus dem Staatsziel Umweltschutz in Artikel 20a – auch eine Pflicht zum Klimaschutz ergibt. Der Staat dürfe der Erderwärmung nicht einfach zusehen und auf Anpassungsmaßnahmen wie Deichbauten vertrauen. Ziel müsse vielmehr die Klimaneutralität Deutschlands sein.