Der Brexit bedeutet für die britischen Bürger, ihre Rechte als Unionsbürger zu verlieren. Ein Überdenken der Unionsbürgerschaft, sowie transnationale Wahllisten bieten einen Gegenentwurf zum totalen Ausschluss der britischen Bevölkerung von europäischen Institutionen und dem politischen Entscheidungsprozess.

Die Schaffung der Unionsbürgerschaft geht auf den Vertrag von Maastricht zurück, der am 1. November 1993 in Kraft getreten ist. Seither ist jeder Bürger eines EU-Mitgliedsstaates zugleich auch Bürger der Europäischen Union. Die Unionsbürgerrechte sind fest in den europäischen Verträgen verankert und haben in den vergangenen Jahren durch die Rechtsprechung erheblich weiterentwickelt.

Den Kern der Unionsbürgerschaft bilden u.a. folgende Rechte:

Das Recht, sich innerhalb der EU frei zu bewegen und aufzuhalten;

das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz durch einen anderen EU-Mitgliedsstaat;

das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament.

Die Unionsbürgerschaft ist somit mehr als nur die Möglichkeit, sich innerhalb der EU frei zu bewegen. Wäre deren Verlust für die Briten nach dem Vollzug des Brexit noch zeitgemäß? Hat die Unionsbürgerschaft nicht den individuellen Status der EU-Bürger aufgewertet und ihn vom Nationalstaat losgelöst? 

Die Unionsbürgerschaft in der EU steht nicht neben der nationalen Staatsbürgerschaft, ersetzt diese auch nicht. Die nationale Staatsbürgerschaft wird vielmehr durch diese ergänzt.

Man könnte also argumentieren: fällt die als Basis dienende nationale Staatsbürgerschaft eines Noch-Mitgliedstaates mit dem Austritt aus der Union aus der gemeinsamen Basis heraus, kippt damit auch die auf sie aufbauende Unionsbürgerschaft.

Was passiert nun mit der Unionsbürgerschaft von Menschen, deren Herkunftsland aus der EU austritt? In seiner jetzigen Fassung lässt Art. 20 AEUV eigentlich nur eine Deutung zu: „Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“ – und wenn ein Mitgliedstaat nicht mehr zur EU gehört, sind demnach auch dessen Staatsangehörigen keine Unionsbürger mehr. Für viele Briten, die in einem anderen EU-Land leben (oder sich wenigstens die Möglichkeit dazu erhalten wollen), kam die Brexit-Entscheidung ihrer Mitbürger deshalb als ein Schock.

Dem steht entgegen:

Der Zugang zur Europabürgerschaft wird durch die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats übermittelt, die durch das nationale Recht geregelt wird, die aber auch, wie jede Form der Bürgerschaft, die Grundlage für einen neuen politischen Raum bildet, aus dem Rechte und Pflichten erwachsen, die durch das Gemeinschaftsrecht festgelegt werden und nicht vom Staat abhängen“ (Miguel Poiares Maduro, portugiesische Generalanwalt des EUGH). 

Die Unionsbürgerschaft ist etwas Individuelles (foederalist.eu, 06.12.2016) – ein demokratischer Grundrechtestatus, der jedem europäischen Bürger garantiert wird und eben nicht nationalen Politikentscheidungen untergeordnet ist. Es erscheint mir deshalb ein falscher Impuls, wenn EU-Europäer nun alle Briten abstrafen wollen, nur weil eine Mehrheit ihrer Landsleute für den Austritt gestimmt hat. Schließlich gehört es gerade zu den großen Leistungen der europäischen Integration, Menschen auf überstaatlicher Ebene nicht nur als Teil ihres Staates, sondern als einzelne Person – Individuum – wahrzunehmen.

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