Die Regierungskoalition hat sich nun doch über eine Wahlrechtsreform geeinigt. Das ist nur der erste Schritt hin zu einer Regelung, die eine weitere Vergrößerung des Bundestags verhindern soll.
Der Kompromiss sieht vor, dass ein weiteres Anwachsen des Bundestags bei der Wahl 2021 durch eine Dämpfungsmaßnahme verhindert werden soll. Die richtige Reform soll dann erst 2025 greifen.
Die Wahlrechtsreform soll verhindern, dass der Bundestag bei der Wahl im Herbst 2021 nochmals größer wird. Mit 709 Abgeordneten hat er schon jetzt ein Rekordausmaß erreicht. Die Normalgröße sind 598 Abgeordnete. Ohne eine Reform wird ein weiteres Anwachsen auf möglicherweise mehr als 800 Abgeordnete befürchtet. Im Bundestag herrscht weitgehend Einigkeit, dass dies die Arbeitsfähigkeit des Parlaments beeinträchtigen würde. Außerdem würden dadurch die Kosten steigen.
Die Reform soll in zwei Schritten erfolgen (SPON). An der Kommission sollen sich auch Vertreter der Opposition beteiligen. Sie soll noch in dieser Legislaturperiode eingesetzt werden, wie die Koalitionsspitzen vereinbarten. Ihre Ergebnisse soll die Kommission demnach bis Mitte 2023 vorlegen. Die für 2025 angestrebte Reduzierung der Zahl der Wahlkreise soll noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich verabschiedet werden.
Die Zahl der Wahlkreise wird um 19 reduziert, zudem soll es eine Beschränkung bei den Ausgleichsmandaten geben. Bis zu drei Überhangmandate sollen dann nicht mehr durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.
Sicherlich kein großer Wurf, und der Effekt bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 dürfte überschaubar sein – nicht ohne Grund sprechen die Koalitionäre unter anderem nebulös von „Dämpfungsmaßnahmen“. Aber es ist zumindest ein Anfang nach sieben Jahren Stillstand.
Es geht um Macht. Weniger Wahlkreise, weniger Überhang- oder weniger Ausgleichsmandate – jede Fraktion verfolgt hier ihre eigenen legitimen Interessen.
Wie gesagt, sieben Jahre Stillstand. Schon im Oktober 2013 (zeit.de), bei der allerersten Parlamentssitzung nach der Wahl, redete der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert den Abgeordneten ins Gewissen. Es sei nun Zeit, „noch einmal in Ruhe und gründlich auf das (…) Wahlrecht zu schauen“, und zwar „nicht erst nach der nächsten Wahl, sondern rechtzeitig vor der nächsten Wahl“. Das Sitzungsprotokoll vermerkt Beifall.
Es schlägt der Demokratie „keine tödliche Wunde“ (Lenz Jacobsen in zeit.de), wenn Deutschland nicht mehr in 299, sondern nur noch in 280 oder gar 250 Wahlkreise aufgeteilt ist. Viel fataler wäre für das Ansehen der Parlamentarier, wenn sie sich gerade dann als handlungs- und reformunfähig erweisen, wenn es um ihre eigene Macht geht.
Änderungen des Wahlrechts sind komplex und nicht ganz folgenlos. Mit Urteil vom 25. Juli 2012 hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das damals mit der Änderung des Bundeswahlgesetzes (BWG) neu gestaltete Verfahren der Zuteilung der Abgeordnetensitze des Deutschen Bundestages gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien verstößt.
Wollen hoffen, dass die aktuelle Reform standhält …