Die in der Corona-Krise vorgeschriebene Erhebung von Kontaktdaten bei Restaurant-Besuchern ist ins Zwielicht geraten. Die Gaststätten weisen zwar darauf hin, dass die persönlichen Angaben nur im Falle von Covid-19-Infektionen von Gesundheitsämtern verwendet werden, um gefährdete Personen identifizieren und warnen zu können. Doch nachdem der Gaststättenverband Dehoga (rp-online.de) von Fällen in Hamburg und München erfuhr, bei denen die Polizei die Angaben für die Strafverfolgung nutzte, wächst die Verunsicherung.
Die Gaststätten sind verpflichtet, persönliche Daten ihrer Gäste zu sammeln, damit die Gesundheitsämter im Fall einer Covid-19-Erkrankung weitere potenziell infizierte Personen finden können. Nach Vorfällen in Hamburg und München, bei denen die Polizei die Gästedaten auch zur Strafverfolgung nutzte, verlangt der Verband eine eindeutige Regelung in den Corona-Verordnungen der Länder.
Das Versprechen der Vertraulichkeit auf den Zetteln, die ausgefüllt werden müssen, schützt also nicht umfassend vor einer Nutzung durch die Polizei, auch wenn die meisten Gäste die Daten in dem Glauben geben, dass nur das Gesundheitsamt die Daten verwendet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Daten – die wegen der Pandemie erfasst wurden – bei den Strafverfolgungsbehörden landen. Im März und April wurde bekannt, dass in fünf Bundesländern Listen mit den Namen Infizierter oder Menschen in Quarantäne an die Polizei übermittelt worden waren (netzpolitik.org, 31.07.2020). Teilweise gelang es Datenschützern, die Weitergabe zu stoppen.
Bundesrecht breche Landesrecht, verlautet es aus Polizeikreisen. Grundlage für die Heranziehung der Daten aus Gästelisten sei die bundesweit geltende Strafprozessordnung. Ob solche Listen zu Ermittlungen herangezogen werden, entscheidet die Polizei nicht allein, sondern auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder eines Richters. Es ist im Einzelfall abzuwägen und zu begründen.
Einen anderen Standpunkt vertritt zum Beispiel das baden-württembergische Innenministerium. Aus der Corona-Verordnung ergebe sich eine ausdrückliche und eindeutige Zweckbindung, sagte ein Sprecher des dortigen Innenministeriums (tagesschau.de). Eine Verwendung etwa von der Polizei, um Straftaten zu verfolgen, sei unzulässig.
Wer seine Daten in dem Glauben preisgibt, dies sei zur Offenlegung von Infektionsketten gedacht, darf sich also nicht plötzlich in einer polizeilichen Ermittlung wiederfinden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Corona-Maßnahmen darf nicht erschüttert werden.
Bei der Nutzung der Daten – soweit dies erfolgt – muss die Polizei äußerst behutsam bei der Zweckänderung der Daten vorgehen. Es gilt auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Sind Möglichkeiten vorhanden, die weniger in die Privatsphäre der Bürger/-innen eingreifen, sind jene vorzuziehen.
Gastwirte sollten „Datensparsamkeit“ walten lassen und wirklich nur die zwingend erforderlichen Daten erheben. In anderen Bereichen – bei Streetworkern zum Beispiel – wird oft auf Aktenführung verzichtet, damit sensible Daten im Fall einer Durchsuchung nicht an die Polizei geraten (netzpolitik.org, 07.07.2020).
Es handelt sich hier um eine rechtliche Grauzone, die von den Bundesländern unterschiedlich behandelt wird. Unabhängig davon, ob die Datennutzung für Ermittlungszwecke verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist, sollte der Bund die Angelegenheit selbst mit einem Gesetz länderübergreifend regeln. Die Diskussion, ob die Strafprozessordnung hierzu ausreicht, mag hier dahinstehen.
Ein restriktives Bundesgesetz würde jedenfalls Klarheit verschaffen.