Das höchste deutsche Gericht schränkt die staatlichen Zugriffsmöglichkeiten auf persönliche Daten von Handy- und Internetnutzern zur Strafverfolgung und Terrorabwehr ein. Es erklärte am Freitag mehrere Regelungen zur Bestandsdatenauskunft verfassungswidrig. Diese verletzten das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Telekommunikationsgeheimnis, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mitteilte.
Polizei, Bundeskriminalamt und Nachrichtendienste nutzen die Auskünfte, um Verbrechen aufzuklären oder Terroranschläge zu verhindern. Dazu dürfen sie zum Beispiel bei Telefongesellschaften und Providern Bestandsdaten wie Name, Anschrift und Geburtsdatum abfragen, aber auch die genutzten IP-Adressen.
Die Regelungen mussten nach einem ersten Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 schon einmal überarbeitet werden. Nun stellte sich heraus, dass das reformierte Gesetz immer noch nicht den Anforderungen genügt. Die Richter bekräftigen zwar, dass die Auskunft über Bestandsdaten grundsätzlich zulässig ist. Voraussetzung müsse aber das Vorliegen einer konkreten Gefahr oder der Anfangsverdacht einer Straftat sein. IP-Adressen, die Rückschlüsse auf die Internetnutzung geben, genießen besonderen Schutz. Ermittler dürfen nicht ohne Anlass auf die Daten von Internet- und Handynutzern zugreifen. Das Verfassungsgericht erklärte Teile der Datenauskunft für verfassungswidrig.
Anlass für die neue Entscheidung war eine weitere Verfassungsbeschwerde. Diese wurde von mehr als 6.300 Menschen (nwzonline.de) unterstützt. 2013 wurde die neue Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Mit seinem Beschluss bekräftigt das Bundesverfassungsgericht die Maßstäbe, die es bereits 2012 für die Abfrage vonBestandsdaten aufgestellt hatte. „Leider hat der Bundestag diese Vorgaben seither nicht konsequent umgesetzt“ (Dr. Ulf Buermeyer, Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte in lto.de). Nun wird eine ganze Reihe an Gesetzen novelliert werden müssen. Behörden müssen jede einzelne Datenabfrage vorher genau prüfen und die Gründe für die Abfrage dokumentieren. Damit bietet die Entscheidung die Chance auf Fortschritte beim Datenschutz, aber auch beim nachträglichen Rechtsschutz gegen Datenabfragen.
Die Erteilung der Auskunft über Benutzerdaten sei zwar grundsätzlich zulässig. Der Gesetzgeber müsse aber nach dem Bild einer Doppeltür, sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten durch die Telekommunikationsunternehmen als auch beim Abruf durch die Bundesbehörden, jeweils verhältnismäßige Rechtsgrundlagen schaffen (zdf.de).
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Regelungen zur sogenannten Bestandsdatenauskunft für verfassungswidrig erklärt. Dies betrifft neben dem Paragrafen 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auch Vorschriften des BKA-Gesetzes und des Bundespolizeigesetzes. Dem Senatsbeschluss zufolge dürfen diese Vorschriften aber unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einer Neuregelung weiter angewendet werden. Die Neuregelung muss bis spätestens 31. Dezember 2021 erfolgt sein.
Ein Zitat zum Schluss:
„Wer Polizei und Geheimdiensten blauäugig vertraut, kennt nicht die zahlreichen Fälle, in denen Beamte ihre Möglichkeiten zum Ausspionieren ihres privaten Umfelds oder sogar zum Datenverkauf an Kriminelle missbraucht haben. Und wehe uns, wenn diese Spionagemöglichkeiten eines Tages sogar in die Hände einer nicht-demokratischen Regierung gelangen sollten. In einem Zeitalter der Sicherheitsideologie und Verunsicherung muss Innenpolitikern der Respekt vor unserer digitalen Privatsphäre täglich neu gelehrt werden“ (Europapolitiker Patrick Breyer in SPON).
Ja, das trifft die Problematik im Kern …