In God we trust“, heißt es auf der Dollar-Note. In den Vereinigten Staaten glaubt immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung, in einem von Gott auserwählten Land zu leben, das weltweit ein „Leuchtfeuer der Hoffnung ist. Die amerikanische Demokratie ist keine Ausnahmeerscheinung und könnte – wie andere Demokratien auch – eines langsamen Todes sterben. 

Früher brachen Demokratien oft in einem Putsch oder einer Revolution zusammen. Heute sterben Demokratien langsam und es fällt uns noch nicht mal auf.

Spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten vor vier Jahren fragen sich immer mehr Menschen, ob das Land nicht zu einem autokratisch geführten Staat zu werden droht.

Anfangs demokratisch legitimierte Autokraten bauen die Institutionen eines Staates so um, dass grundlegende demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, individuelle und politische Freiheiten eingeschränkt werden und die Opposition kriminalisiert wird. Als aktuelle Beispiele hierfür seien auch die Türkei, Polen oder Ungarn genannt.

Die Demokratie stirbt. Und das Erstaunlichste daran ist, wie wenig ganz normale Leute sich deswegen Sorgen machen. Stattdessen teilen wir das Problem in Stücke. Die US-Amerikaner, die sich über die gegenwärtige Situation Sorgen machen, sorgen sich normalerweise wegen Trump – und nicht etwa deshalb, weil die am stärksten fetischisierte Verfassung der Welt sich so anpassungsfähig an die Machtausübung eines Kleptokraten (freitag.de, 02.08.2017) zeigt. Politikerinnen der EU drücken höflich ihr diplomatisches Missfallen darüber aus, dass der Parteiapparat von Erdogans AKP versucht, ihre eigenen Demokratien herabzuwürdigen. Wie in den 1930ern scheint der Tod der Demokratie immer irgendwo anders stattzufinden. 

Eine Technik besteht darin, Kritik dadurch zu unterbinden, dass man seinen Gegner bis ins Kleinste kujoniert. Erdogan hat über die Jahre nicht nur Zehntausende von missliebigen Akademikern entlassen und einige von ihnen ins Gefängnis gesteckt, sondern sie auch ihrer Rechte auf soziale Absicherung, ihrer Lehrerlaubnis und in manchen Fällen ihrer Reisefreiheit beraubt. Trump versucht auf ähnliche Weise, gegen sogenannte sanctuary cities (Städte der Zuflucht) vorzugehen. Ungefähr 300 US-amerikanische Gemeinden haben – völlig legal – erklärt, nicht mit der Bundesbehörde für Zuwanderung (ICE) zusammenarbeiten zu wollen.

Neoliberale Eliten verfolgen nicht etwa gezielt ein autokratisches Projekt. Vielmehr werden die wirtschaftlichen Mikrostrukturen, die in den vergangen dreißig Jahren geschaffen wurden, jede Sphäre des menschlichen Lebens und jedes menschliche Bemühen, einschließlich der Menschen selbst, nach einer bestimmten Vorstellung des Ökonomischen“ (Wendy Brown, Politikwissenschaftlerin an der UC Berkeley in „Undoing the Demos“) umgewandelt. Jede Handlung wird nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt: Meinungsfreiheit, Bildung, politische Teilhabe. Wir lernen stillschweigend das, was Prinzipien sein sollten, wie Waren abzuwägen und zu fragen: Lohnt es sich, manchen Städten zu erlauben, illegale Migranten zu beschützen? Worin besteht die wirtschaftliche Kehrseite davon, zehntausende Akademiker zu entlassen und zu diktieren, was sie erforschen können? Ist der Weg erst hier einmal geebnet, bröckeln Asylrecht und Freiheit der Wissenschaft und Forschung.

Heute besteht die Tragödie darin, dass es nicht eine einzige demokratische Regierung auf der Welt gibt, die darauf vorbereitet wäre, unsere demokratischen Prinzipien zu verteidigen. Sicher, es werden Erklärungen abgegeben, in denen das Missfallen bekundet wird.

Aber man weigert sich, auf der Universalität der Prinzipien zu beharren.

Der Kampf um universelle Rechte muss bei den Individuen anfangen (Stéphane Hessel, Indignez-Vous, 2010). Wir müssen uns selbst und unseren Mitmenschen immer wieder klarmachen, dass unsere Menschenrechte gleich und unveräußerlich sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert