Über 130 Unterschriften Prominenter hat der Journalist Günter Wallraff für die Freilassung von Julian Assange gesammelt. Die Unterzeichner befürchten, der Wikileaks-Gründer könnte in die USA ausgeliefert werden. Dort drohen ihm wegen der Veröffentlichung interner Militärdokumente bis zu 175 Jahre Gefängnis.

Briten und Amerikaner behandeln den WikiLeaks-Gründer Assange wie einen Schwerverbrecher. Jetzt kritisieren Schriftsteller und Politiker seine Haftbedingungen als Verstoß gegen die Menschenrechte.

Das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, im Südosten Londons gelegen, wurde einst für Terroristen und andere Schwerverbrecher gebaut, ehemalige Kämpfer der nordirischen IRA sitzen hier ein und berüchtigte Islamisten. Wegen der harten Haftbedingungen wird das Gefängnis auch die „britische Version von Guantánamo Bay“ (zeit.de) genannt.

Der derzeit prominenteste Insasse des Knastes ist allerdings weder Terrorist noch Schwerverbrecher, wenngleich er wie ein solcher behandelt wird: Assange, der enigmatische Australier und Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks. Er wartet in Belmarsh auf den nächsten Akt in einem Drama, in dem es um Spionage, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit geht – und nicht zuletzt wohl auch um Rache.

Ohne Julian Assange wäre das Bild vom unendlichen Krieg in Afghanistan um viele Facetten ärmer, vor allem staatstragender und unerträglich verharmlosend. Seit 2010 weiß die Welt mehr über das Elend, die Unmenschlichkeit, die Verlogenheit dieses US-geführten Feldzugs. Damals wurden zigtausend geheime Militär- und Geheimdienst-Dokumente auf der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht. Gründer dieses investigativen Internet-Mediums ist Julian Assange.

Von seiner Idee profitieren seither Journalisten auf der ganzen Welt. Schneller und besser denn je können sie sich vernetzen, um intransparentes, rechtswidriges oder gar verbrecherisches Handeln politischer und wirtschaftlicher Eliten aufzudecken. Dass sich die Mächtigen in Regierungs- und Konzernzentralen davor fürchten, ist klar. Und sie sollen sich dagegen auch wehren können – aber bitte mit fairen Mitteln und Methoden. Davon aber kann im Kampf gegen Assange schon lange keine Rede mehr sein.

In der Causa Julian Assange hat der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, erneut das Vorgehen westlicher Staaten scharf gerügt und den Finger in eine offene Wunde gelegt. Es werde viel diskutiert darüber, ob der Wikileaks-Gründer Julian Assange etwas Falsches gemacht habe oder nicht, meint Melzer. Diese Frage erscheint dem in Glasgow lehrenden Schweizer Rechtsprofessor aber schal angesichts der sich vor den Augen der Gesellschaft abspielenden viel größeren Vergehen etwa in Afghanistan oder im Irak.

Wir leben in einer Zeit, in der unsere eigenen Kriegsverbrechen nicht länger verfolgt werden“, klagte Melzer schon am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion über Assange im Frontline Club in London, einem Treff für Medienschaffende unweit vom Bahnhof Paddington. Auch der Westen habe in den vergangenen Jahren Aggressionskriege geführt. Für solche Schritte „haben wir Menschen in Nürnberg gehängt“, verwies der Jurist auf die Nürnberger Prozesse gegen deutsche Nazi-Hauptkriegsverbrecher direkt nach dem Zweiten Weltkrieg (heise.de).

Der Beginn des Auslieferungsverfahrens ist für Ende Februar vorgesehen. Assange war im April 2019 in London verhaftet worden und sitzt in Großbritannien eine fast einjährige Gefängnisstrafe wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen ab (n-tv.de).

Zuvor hatte er sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt, um einer Auslieferung nach Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen aus dem Jahr 2010 zu entgehen. Die schwedische Justiz hat die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange im November 2019 fallengelassen.

Wenn Journalisten und Whistleblower befürchten müssten, die Aufdeckung staatlicher Verbrechen mit Einkerkerung oder ihrem Leben zu bezahlen, sei die „vierte Gewalt“ in Gefahr, sagte Wallraff bei seinem Aufruf. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) klagte, die Ausübung der Pressefreiheit werde kriminalisiert.

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