Trotz anhaltender Proteste hat das französische Kabinett die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron gebilligt. Unter dem Druck der Straße hatte Macron im Vergleich zu seinen Wahlversprechen massive Abstriche vorgenommen. 2017 hatte er gelobt, er werde ein gerechteres und langfristig finanziertes Rentensystem schaffen.

Derzeit gibt es in Frankreich 42 verschiedene Rentenkassen und -regime, je nach Berufsgruppe. Unterschiedliche Logiken führen dabei zu sehr unterschiedlichen Rentenzahlungen. Angestellte im öffentlichen Dienst erhalten 75 Prozent ihres letzten Gehalts, während sich die Rente von privat Beschäftigten aus dem Durchschnitt der letzten 25 Jahre errechnet. Für Lehrer – die in Frankreich eher schlecht bezahlt werden – kann das einen Unterschied von 20 Prozent zu Gunsten der Lehrer einer staatlichen Schule ausmachen.

Das Durcheinander soll nach dem Willen von Emmanuel Macron und der französischen Regierung durch ein einheitliches System ersetzt werden, „für alle Franzosen, ohne Ausnahme“, wie es Premierminister Edouard Philippe ausdrückte. Jeder eingezahlte Euro soll künftig in ein Punktesystem umgerechnet werden und zu identischen Rentenansprüchen führen. Angerechnet werden neben der Arbeitszeit auch Ausbildung, Mutterschaft, Unfall und Krankheit – neu in Frankreich. Wer mehr als 120.000 Euro pro Jahr verdient, soll einen Solidarzuschlag zahlen.

Zahlreiche Lehrer, Anwälte, Mitarbeiter der Bahn und Polizisten gingen auf die Straße. Sie zählen sich zu den Verlierern der Reform, da Macron die Vorzugsrenten in vielen Branchen abschaffen will, die teilweise schon den Ruhestand mit Mitte 50 ermöglichen.

Präsident Macron verurteilte Gewalt und radikale Blockaden bei den wochenlangen Protesten. Hass und Einschüchterung unter dem Vorwand von Meinungsverschiedenheiten seien nicht akzeptabel, zitierte Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye den Präsidenten. Gleichzeitig betonte er demnach, dass Fehlverhalten der Polizei systematisch aufgeklärt werden müsse.

Die Reform sieht eine Mindestrente von 1.000 Euro vor. Davon würden Alleinerziehende, profitieren, aber vor allem kleine Bauern und Gewerbetreibende. Wer körperlich besonders anstrengende Arbeit oder viel Schichtarbeit zu verrichten hat, kann zwei Jahre eher in Rente gehen als andere. Wer heute 44 oder älter ist, wird durch die schrittweise Umsetzung der Reform in keiner Weise betroffen. Nach dem neuen System arbeiten erst diejenigen, die 2022 erstmals auf den Arbeitsmarkt kommen werden (cicero.de).

Macron ist fest entschlossen, die Rentenreform trotz der Massenproteste durchzuziehen und die Vorzugsrenten für viele Branchen durch ein einheitliches System zu ersetzen. Die Reform soll noch vor der Sommerpause das Parlament passieren. Nur in einem Punkt hat seine Regierung nachgegeben: Sie verzichtet auf die faktische Anhebung des Rentenalters von derzeit 62 auf 64 Jahre.

Auch wenn Staatspräsident Emmanuel Macron die Reform mit vielen Kompromissen erkaufen musste: Ihm ist gelungen, was viele Kritiker vor einigen Wochen noch für unmöglich hielten, nämlich eine fundamentale Veränderung des französischen Rentensystems anzuschieben. Daran sind in den vergangenen 30 Jahren alle Regierungen gescheitert.

Unter den Protestierenden findet man daher vor allem Angehörige des öffentlichen Sektors. Und gestreikt haben vor allem die Mitarbeiter der Pariser Verkehrsbetriebe RATP und der Staatsbahn SNCF. Denn die profitieren derzeit noch von äußerst großzügigen Sonderregimen, die der Reform auch zum Opfer fallen sollen. So können sich Pariser Metrofahrer schon mit 52 Jahren zur Ruhe setzen. Bei Pensionen, die – die volle Anzahl von Berufsjahren vorausgesetzt – im Schnitt bei mehr als 2500 Euro liegen. Den Steuerzahler kosten die Sondersysteme jährlich acht Milliarden Euro (tagesschau.de).

Die Mitarbeiter der SNCF und der RATP wollen nur ihre Priviligien verteidigen (Verdier-Moliniè, Rentenexpertin). Man habe es hier mit den Egoismen eines Systems zu tun, wo sich jeder nur seine Vorteile erhalten will.

Bei der Abschaffung der Sondersysteme weiß die Regierung auch die öffentliche Meinung hinter sich. Insgesamt spricht sich aber eine Mehrheit der Franzosen in Umfragen gegen die Reform aus. Denn sehr viele Menschen fürchten, dass die Regierung das Rentenniveau drücken will.

Das streitet Premierminister Philippe ab: Das Rentengesetz werde eine goldene Regel enthalten, dass der Punktwert nicht fallen darf.

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