Nach dem Urteil gegen die Separatistenführer kommt Katalonien nicht zur Ruhe.

Am Freitag, dem fünften Tag der Proteste in Katalonien nach dem Madrider Urteil gegen führende katalanische Politiker und Bürgerrechtler, kam das wirtschaftliche Leben in Barcelona zum Erliegen. Ein von den katalanischen Gewerkschaften ausgerufener Generalstreik zwang einige Großunternehmen wie den Autobauer Seat, die Produktion einzustellen. Auch an den Schulen und Universitäten Kataloniens wurde gestreikt. Die Einreise von Frankreich über den Grenzübergang La Jonquera war nicht möglich, mehr als zwanzig Autobahnen und Überlandstraßen waren blockiert, zum Teil, weil sich ein halbes Dutzend Protestmärsche aus der katalanischen Provinz, die sogenannten „Marxes per la Llibertad“, auf dem Weg in die katalanische Hauptstadt befand und die Teilnehmer lauthals die Freilassung der inhaftierten Politiker forderten.

Die spanische Regierung hat ein Gesprächsangebot der seit Tagen protestierenden katalanischen Separatisten abgelehnt. Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte, zuerst müsse Kataloniens Regionalpräsident Quim Torra die gewaltsamen Proteste in Barcelona verurteilen, was er bisher nicht ausdrücklich getan habe (welt.de). Torra hatte die Zentralregierung in Madrid nach tagelangen Unruhen mit Dutzenden Verletzten zu Verhandlungen aufgefordert.

Der Oberste Gerichtshof in Madrid hatte neun Anführer der katalanischen Separatisten zu langen Gefängnisstrafen zwischen 9 und 13 Jahren verurteilt. Unter anderem wegen Aufruhr, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Ungehorsam, nicht aber wegen „rebelión“, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Sonst wäre das Urteil noch härter ausgefallen.

Der Spruch des Gerichts markiert das Ende eines Prozesses, den sich die Separatisten zurechtgelegt hatten, um Katalonien von Spanien abzuspalten.

Ausgangspunkt des Konfliktes zwischen Katalonien und der spanischen Regierung war ein illegales Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017. Laut Regionalregierung stimmte eine Mehrheit der Katalanen für die Unabhängigkeit, allerdings lässt sich das Wahlergebnis wegen der teils chaotischen Situation bei der Stimmabgabe nicht nachprüfen.

Spaniens damaliger Ministerpräsident Mariano Rajoy erkannte die Gültigkeit des Referendums nicht an. Das Verfassungsgericht hatte es untersagt. Der damalige Chef der katalanischen Regionalregierierung, Carles Puigdemont, flüchtete daraufhin ins Exil nach Brüssel.

Die Ablehnung der spanischen Zentralgewalt hat eine lange Tradition. Ihren Höhepunkt fand sie im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39), als Katalonien sich zur wichtigsten Bastion gegen den heraufziehenden Faschismus entwickelte. Während der Franco-Diktatur (1939-75) wurden Katalonien sämtliche Sonderrechte aberkannt, das Katalanische verlor den Status einer Amtssprache. Nach der Diktatur erkämpften sich die Katalanen den Status einer „autonomen historischen Gemeinschaft“ (tagesschau.de, 09.10.2017).

In den katalanischen Städten hatte sich früh ein Handelsbürgertum etabliert, während die katalanische Sprache und Kultur einen Aufschwung erlebten. Im 14. und 15. Jahrhundert bildeten sich damit die bis heute gültigen Grenzen der katalanischen Sprache heraus und damit auch die Grenzen dessen, was den Katalanen heute als Nation gilt (mdr.de).

Der katalanische Nationalismus hat seit 2006 an Kraft gewonnen. Als das spanische Parlament Katalonien am 30. März 2006 weitgehende Vollmachten in der Steuergesetzgebung und im Justizwesen einräumte, Katalonien zudem als „Nation“ anerkannte, wähnten sich viele Nationalisten bereits am Ziel zu sein.

Im Jahr 2010 entschied das spanische Verfassungsgericht, die Beschreibung Kataloniens als „Nation“ habe keine „Gesetzeskraft“, eine Bevorzugung des Katalanischen in Kommunalverwaltungen sei nicht zulässig.

Katalonien ist eine vergleichsweise reiche Region. Sie stellt zwar nur 6,3 Prozent der Landesfläche und 16 Prozent der Bevölkerung Spaniens (wikipedia.org), erwirtschaftet aber 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Viele große Unternehmen sitzen hier – so etwa die Banken La Caixa und Sabadell oder der Sekthersteller Freixenet. Sie drohen allerdings angesichts der rechtlichen Unsicherheiten einer möglichen Unabhängigkeit Kataloniens mit einem Wegzug.

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