Brandenburg und Sachsen haben gestern die Landtage neu gewählt. Sowohl der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) als auch sein Brandenburger Amtskollege Dietmar Woidke (SPD) holten mit ihren Parteien jeweils die meisten Stimmen und haben erneut den Auftrag zur Regierungsbildung.
Wie geht es in den beiden Bundesländern nun weiter? Am heutigen Montag beginnen die Vorbereitungen der Sondierungsgespräche. Während in Brandenburg alles auf eine rot-rot-grüne Regierung hinausläuft, wird die CDU in Sachsen für eine mögliche Kenia-Koalition mit den ungeliebten Grünen sprechen müssen. Die Zusammenarbeit mit der AfD schlossen Kretschmer und Woidke kategorisch aus.
Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen wären eigentlich Anlass für ein politisches Erdbeben im Bund: Die Parteien der großen Koalition haben erneut massiv verloren, sind, wie die SPD in Sachsen, teilweise sogar regelrecht marginalisiert. Und die rechtspopulistische AfD ist überall zweitstärkste Kraft geworden, auch auf Kosten der Linken. Sie ist die neue Volkspartei des Ostens. Das müsste zu Konsequenzen für das Regierungsbündnis in Berlin führen. Und zu einer Änderung der Politik in und gegenüber den neuen Ländern.
Doch das Erdbeben wird ausbleiben. Schon, weil die bisher regierenden Parteien in beiden Ländern nicht das Ministerpräsidentenamt verlieren, und das ist für sie das Wichtigste. Allerdings wird die Regierungsbildung deutlich komplizierter werden. Zudem: Im Grunde haben Brandenburg und Sachsen nur nachgeholt, was woanders längst stattgefunden hat. Die AfD erreichte im Osten schon vorher Ergebnisse von mehr als 20 Prozent.
Was tun? Vor allem auch im Hinblick auf den Bund? Im starken Abschneiden der AfD muss man einen Warnschuss für die Große Koalition aus Union und SPD in Berlin sehen. Trotz der von diesen Parteien jahrelang betriebenen Politik der sozialen Wohltaten laufen Union und SPD die Wähler in Scharen davon (Mario Ohoven, Chef der mittelständischen Wirtschaft, de.reuters.com).
Die Große Koalition in Berlin muss daraus die Konsequenz ziehen und endlich eine wachstumsorientierte Politik betreiben, die die Wirtschaft stärkt und eine Rezession von Deutschland abwendet.
Ökonomen weisen angesichts der deutlichen Stimmengewinne für die AfD auf mögliche negative wirtschaftliche Folgen hin.
Dabei hat man auch demografische Probleme im Blick: Aufgrund der Alterung der Bevölkerung nimmt die Attraktivität einiger Regionen in Ostdeutschland als Investitionsstandort ab, weil es dort für die Unternehmen in Zukunft schwieriger werden wird, geeignetes Personal zu finden (Oliver Holtemöller, Vize-Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)).
Eine mögliche Lösung ist allerdings vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Äußerungen aus AfD-Reihen gefährdet: Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte wäre geeignet, die Probleme zu mildern. Allerdings ist das mancherorts fremdenfeindliche Klima diesbezüglich hinderlich.
Viele Menschen im Osten Deutschlands haben politische Umbrüche und Enttäuschungen erlebt, die mit diesen Veränderungen verbunden waren. In der Regel reicht das für zwei Leben. Das muss man ernst nehmen. Es gibt ein Misstrauen gegenüber dem Nächsten, der ankommt und etwas verspricht. Der behauptet, dass mit dem nächsten Wandel alles gut wird. „Dieses Misstrauen ist sehr ausgeprägt. Teilweise ist es berechtigt, teilweise ist es eine mentale Frage“ (Robert Habeck, Co-Chef der deutschen Grünen in srf.ch).
In Sachsen und Brandenburg dominierte ein Thema den Wahlkampf: Der zwischen Bund und den betroffenen Ländern für 2038 beschlossene Braunkohleausstieg und die Folgen. Zehntausende Arbeitsplätze sind im Lausitzer Revier in beiden Ländern direkt und indirekt betroffen. Während die AfD in beiden Ländern gegen die Ausstiegspläne Stimmung machte, stellten sich die anderen Parteien mehr oder weniger dahinter. Vor allem CDU und SPD verteidigten den Ausstieg, weil die gemeinsame Koalition im Bund diesen mit den Ländern ausgehandelt hatte. Von den vom Kabinett beschlossenen Strukturhilfen über insgesamt 40 Milliarden Euro sollen über die Hälfte nach Sachsen und Brandenburg gehen.
Daran wird man sich auch halten müssen, die Wahlversprechen einlösen, um den Menschen in den betroffenen Regionen auch in Zukunft eine Existenzgrundlage zu sichern.
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