Laut Artikel 50 im EU-Vertrag, kann ein EU-Mitgliedstaat die EU mit oder ohne Ausstiegsvereinbarung verlassen.

Am Donnerstag hatte Johnson in seiner ersten Rede im neuen Amt im Parlament in London deutlich gemacht, seine Regierung sei verpflichtet, den EU-Austritt am 31. Oktober umzusetzen – „unter allen Umständen“. Er pochte darauf, das zwischen seiner Vorgängerin Theresa May und der Europäischen Union vereinbarte Austrittsabkommen nachzuverhandeln.

Ansonsten müsse sich Großbritannien ohne Deal von der EU trennen. Brüssel lehnt Nachverhandlungen strikt ab.

Die neue britische Regierung stellt sich also auf einen No Deal ein, einen EU-Austritt ohne Abkommen. Staatsminister Michael Gove, der als rechte Hand von Premierminister Boris Johnson über die Planungen wacht, die Regierung gehe davon aus, dass Brüssel kein neues Abkommen aushandeln werde (thesundaytimes.co.uk). Die gesamte Maschinerie der Regierung werde auf Hochtouren arbeiten, um sich auf einen No Deal vorzubereiten.

Rishi Sunak, Staatssekretär im Finanzministerium, antwortete auf die Frage, wo das Geld herkomme: „Wir können uns das leisten. Der Grund dafür ist ein sehr umsichtiges Wirtschaftsmanagement, durch das wir im nächsten Jahr 26,6 Milliarden Pfund Spielraum haben“ (news.sky.com). Das entspricht rund 29,5 Milliarden Euro. Außerdem könne Großbritannien es sich leisten, mehr Geld zu leihen.

Mit dem zusätzlichen Geld sollte eine öffentliche Kampagne finanziert werden, um sicherzustellen, dass Einzelpersonen und Unternehmen für einen No Deal bereit seien, sagte Finanzminister Javid. Unter anderem sei geplant, 500 neue Grenzschutzoffiziere einzustellen (SPON). Darüber hinaus wolle er neue Infrastruktur rund um die Häfen des Landes prüfen, um den Warenverkehr sicherzustellen.

Was bedeutet das für die Wirtschaft, für uns in der EU? Das heißt unter anderem, dass britische Produkte den europäischen Außenzöllen unterliegen (und kontrolliert werden müssen). Autos und Autoteile beispielsweise unterliegen dann bei der Einfuhr in die EU 10 Prozent Zoll.

In einer normalen Handelsbeziehung sei das nicht so wild, wie beispielsweise der australische Ex-Premier Tony Abbott bereits im Januar des Jahres den Briten erklärte. Australien treibe auch regen Handel mit Europa trotz der Zölle, die auf Rohstoffimporte allerdings eher niedrig sind. Doch die britische Industrie ist eng in europäische Liefer- und Produktionsketten eingebunden. BMW beispielsweise plant im No-Deal-Fall, sein Mini-Werk für einen Monat vorgezogene Werksferien zu schließen (manager-magazin.de 18.01.2019).

Ein EU-Austritt ohne Abkommen könnte Großbritannien in eine Rezession führen und erhebliche Folgen für den britischen Staatshaushalt haben.

Für ihre Schätzungen gingen die Experten davon aus, dass ein EU-Austritt ohne Abkommen zu sinkenden Investitionen, einem Rückgang an Exporten wegen erhöhter Handelsbarrieren und einem heftigen Wertverfall des britischen Pfunds führen würde. Die Wirtschaft würde in diesem Szenario in eine Rezession gestürzt werden und bis Ende 2020 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einbüßen (handelsblatt.com 18.07.2019).

Um Johnson am No Deal zu hindern, griffen Parlamentsmitglieder nun zu einem Trick: Sie setzten durch, dass alle 14 Tage ein Bericht zur Situation in Nordirland im Parlament vorgelegt bzw. debattiert wird. So fänden auch während einer möglichen Zwangspause des Parlaments Sitzungen statt, in denen die Abgeordneten gegen eventuelle No-Deal-Pläne vorgehen könnten.

Angesetzt ist der Brexit derzeit für den 31. Oktober. Ein Abkommen, das Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte, fand im britischen Parlament dreimal keine Mehrheit. Daraufhin hatte May ihren Rücktritt als Regierungschefin und Vorsitzende der Konservativen Partei angekündigt.

Die EU und Großbritannien waren sich mal einig, dass eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland vermieden werden soll . Das „Wie“, ist jedoch noch nicht ganz geklärt – Kontrollen und Infrastruktur an der Grenze wären unvermeidbar. Eine Variante zur Vermeidung von Störungen an der Grenze besteht darin, dass Großbritannien bei der Grenze zu Nordirland auf Kontrollen und Zölle auf EU-Waren verzichtet. Viele Handelsexperten sind jedoch der Ansicht, dass dies – aufgrund des WTO Meistbegünstigungsprinzips – nicht funktioniert. Großbritannien müsste dann auch anderen Staaten gegenüber Zölle und Kontrollen einstellen. Die EU hat angekündigt, dass sie Kontrollen für Waren einführen würde, die nach Irland gelangen. Dies würde zu Verzögerungen führen und wahrscheinlich den Handel insbesondere von Lebensmitteln, die einen großen Teil des grenzüberschreitenden Handels ausmachen, verringern. Die Mehrheit der Menschen in Nordirland lehnt jegliche Art von Grenzkontrollen zwischen Nord und Süd ab.

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