Sie hatte eine ältere Schwester, die alles brav und richtig machte. Sie hingegen war der Wildfang der Familie. Vorlaut, aber klug und beliebt in der Schule, nicht zuletzt bei den Jungs. Der Vater leitete eine Firma, die Pektin, ein Geliermittel für Marmelade, produzierte . Ein paar Jahre zuvor war sie von Frankfurt am Main nach Amsterdam gezogen, mit dem Einmarsch der Deutschen holte sie die Judenverfolgung 1940 auch dort ein: „Unsere Freiheit wurde sehr beschränkt“ (welt.de), schreibt sie auf einer der ersten Seiten ihres rot-beige karierten, wattierten Tagebuchs, das ihr zum 12. Juni 1942 geschenkt wurde, ihrem 13. Geburtstag:

Anne Frank wurde am 12. Juni 1929 als zweite Tochter einer säkularen jüdischen Familie in Frankfurt geboren. Angesichts der Verschlechterung der Situation von Juden im nationalsozialistischen Deutschland entschloss sich die Familie zur Emigration in die Niederlande. Als auch in Amsterdam Juden unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg immer stärker verfolgt wurden, tauchte die Familie in einem Versteck unter. Ihr Tagebuch schrieb Anne zwischen 1942 und 1944 in Amsterdam. In dieser Zeit lebte sie mit ihrer Familie und vier weiteren Personen in einer im Hinterhaus verborgenen Wohnung auf engstem Raum. Am 4. August 1944 wurden sie entdeckt, verhaftet und deportiert. Nur Anne Franks Vater, Otto Frank, überlebte und veröffentlichte 1947 das Tagebuch seiner Tochter. Es ist heute Teil des Weltdokumentenerbes der Kulturorganisation der Vereinten Nationen.

Ihre „Erlebnisse im Hinterhaus“ (prisma.de) sollten ihre erste Buchveröffentlichung sein – so plante es Anne Frank mit 14 Jahren. Da vertraute sie schon seit zwei Jahren ihrem Tagebuch an, wie der Alltag im Versteck war. Ihrer imaginären Freundin „Kitty“ berichtete sie aber auch von der politischen Weltlage des Zweiten Weltkriegs und nicht zuletzt von ihren intimsten Gefühlen und den vielen Veränderungen, die sie als Teenager in sich und an sich wahrnahm, bald witzig, bald ernst, doch immer mit beeindruckender seelischer Reife.

Alle im Versteck in Amsterdam lebten immer in der Angst, entdeckt zu werden. Doch sie hatten die große Hoffnung, dass die Nazis den Krieg verlieren und die Juden wieder frei leben könnten. Aber im August 1944 wurden die acht entdeckt und verhaftet.

Von der Zentrale des deutschen Sicherheitsdienstes über ein Gefängnis in Amsterdam und das Durchgangslager Westerbork verschleppen die Nazis die Untergetauchten in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Mit mehr als tausend anderen ist Anne drei Tage lang unterwegs. Die Menschen sind in Viehwaggons eng zusammengepfercht. Es gibt kaum etwas zu essen und zu trinken, und ein kleines Fass muss als Toilette dienen.

Bei der Ankunft in Auschwitz entscheiden Nazi-Ärzte, wer zu schwerer Zwangsarbeit geeignet ist und wer nicht. Ungefähr 350 Menschen (annefrank.org) aus Annes Transport werden gleich danach in den Gaskammern ermordet. Anne wird mit ihrer Schwester und ihrer Mutter in das Arbeitslager für Frauen geschickt.

Anfang November 1944 wird Anne erneut auf einen Transport geschickt. Zusammen mit ihrer Schwester kommt sie in das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ihre Eltern bleiben in Auschwitz zurück. Auch in Bergen-Belsen sind die Umstände fürchterlich: Es gibt kaum etwas zu essen, es ist kalt und Anne bekommt wie ihre Schwester Fleckfieber. Im Februar 1945 sterben beide an den Folgen der Krankheit, erst Margot und etwas später Anne.

Bis auf Annes Vater überlebte keiner. Anne starb, als sie 15 Jahre alt war.

Ihre Tagebücher konnten gerettet werden.

Heute, am 12. Juni, wäre Anne Frank 90 Jahre alt geworden. Ihr Tagebuch, weltweit in 71 Sprachen übersetzt, gilt als Inbegriff eines Zeitzeugnisses über die traumatischen Schrecken des Zweiten Weltkrieges und die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung.

Fremde Tagebücher sollte man eigentlich nicht lesen. Bei den Tagebüchern von Anne Frank ist das anders. Das Mädchen wollte, dass sie gelesen werden. Deshalb wurden die Bücher veröffentlicht.

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