Wer sich des Öfteren mit bestimmten Personengruppen unterhält, der wird folgende Argumentationsmuster wiedererkennen: Die Pharmaindustrie hält Medikamente zurück, die Automobilkonzerne haben schon lange effektive, funktionierende Wasserstoffautos und kalte Fusion ist eigentlich auch schon länger keine Illusion mehr. Einige dieser und ähnlicher Thesen sind hanebüchen. Eine von ihnen scheint sich nun aber zu bewahrheiten: Scheinbar wusste der Ölkonzern Exxon Mobil bereist vor 30 Jahren über den Zusammenhang zwischen fossilen Brennstoffen und dem Klimawandel Bescheid und verschwieg diesen (spektrum.de).
Die historischen und kulturellen Wurzeln der Klimawandelskepsis bzw. -leugnung reichen bis in die Zeit vor Bekanntwerden des menschengemachten Klimawandels zurück. Ab den 1960er Jahren wurde in den USA durch die Umweltbewegung zunehmend auf die negativen Folgen von unbegrenztem Wirtschaftswachstum aufmerksam gemacht. Die immer größere Sichtbarkeit von Umweltschäden führte zu Forderungen, Umweltschutzgesetze zu erlassen und Umweltzerstörungen zu begrenzen. In den 1960er und frühen 1970er Jahren wurden daraufhin einige Umweltschutzbestimmungen erlassen und auch die Umweltschutzbehörde EPA gegründet. Von der Industrie wurden diese Entwicklungen mit Sorgen betrachtet, sodass schnell eine Gegenbewegung zu diesen aufkommenden Umweltschutzbestrebungen entstand, die später zu einem Bestandteil der konservativen Gegenbewegung wurde (wikipedia.org).
1988 beteiligt sich Exxon am Aufbau einer Gegenorganisation: der Global Climate Coalition, eines Zusammenschlusses von Lobbyisten, die unter Verschleierung ihrer Geldgeber klimaskeptische Desinformation betreiben. Wie die aussieht, zeigt der Global Climate Science Communications Plan, den Exxon mit dem American Petroleum Institute 1998 ausarbeitet. Unter der Überschrift „Victory Will Be Achieved When …“ heißt es, die Öffentlichkeit und die Medien müssten von „Unsicherheiten“ in der Klimawissenschaft überzeugt und diejenigen, die dann noch Klimaschutzmaßnahmen verteidigen, als „abgehoben von der Realität“ dargestellt werden. Flankiert wird dieser Plan durch den Aufbau von Thinktanks und pseudowissenschaftlichen Instituten, in denen Akademiker, die klimaskeptische Positionen vertreten, in Kommunikationsarbeit geschult werden, um sich in mediale Debatten einzuschalten. Allein in der New York Times veröffentlichen Exxon und der Nachfolgekonzern Exxon Mobil bis in die letzten Jahre über 36 Advertorials, die die wissenschaftliche Grundlage der Klimapolitik infrage stellen (zeit.de 06.12.2017/solarify.eu).
Mehr als zwei Grad Erwärmung, und der Meeresspiegel steigt beträchtlich. Mehr als drei Grad: Wir verlieren einen Großteil der Küstenstädte der Welt, und ein Wald wächst in der Antarktis. Mehr als vier Grad, und in Europa herrscht Dürre. Mehr als fünf Grad, und das Ende unserer Zivilisation steht bevor.
Von der Urenkelin Rockefellers, Neva Goodwin Rockefeller, finanzierte, dem entsprechende Recherchen halfen dabei, juristische Verfahren gegen Exxon einzuleiten. Einige US-Küstenstädte, darunter San Francisco, Oakland und New York, haben Exxon und andere Öl-Unternehmen auf Schadensersatz verklagt für die Kosten, die ihnen durch den Schutz vor dem steigenden Meeresspiegel entstehen. Vorbild sind die Prozesse gegen die Tabakindustrie, die unter ähnlichem Druck die gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens einräumen mussten.
Exxon Mobil schlägt zurück, unterstützt von republikanischen Senatoren, die im Mai 2018 einen Schriftsatz vorlegten, in dem sie schrieben: „Die Fragen von Klimaschutz sind politische Fragen und eignen sich nicht für einen Gerichtsentscheid“ (stern.de).
Der Klimawandel ist in den USA zu einem Schlachtfeld eines kulturellen Kampfes geworden, in den Präsident Trump das Land gezogen hat – und Exxon Mobil zum umkämpftesten Symbol darin. Laut einer Studie identifizieren sich Anhänger der Republikaner mehr mit Exxon als mit den meisten anderen Unternehmen. 69 Prozent von ihnen halten die Auswirkungen des Klimawandels für übertrieben dargestellt; bei den Demokraten sind es gerade einmal vier Prozent. In der Auseinandersetzung über den Klimawandel in den USA geht es längst nicht mehr um Studien, Zahlen und Fakten, sie ist zu einem weiteren politischen Schlachtfeld geworden, wie Abtreibung und das Waffenrecht. Republikanische Unterstützer machen deshalb Stimmung gegen die Familie Rockefeller, sprechen von einer bösartigen Intrige von Öko-Extremisten.