Liebe Vettern,Pierre Mathias

nein, ihr seid nicht gemeint, wenn ich von der Vetternwirtschaft rede. Wie wir wissen gibt es nur anständige Genossen in unserem Breitengrad – keine Kanaken wie am Mittelmeer oder anderswo. Wenn wir ab und zu schmieren, können wir nichts dafür und außerdem handeln wir nur aus Nächstenliebe. Wenn ein griechischer Beamter die Hand offen hält, was sollten wir tun? Ihm einfach sein Glied abschneiden? Das tun nur die Barbaren. Eines sollte aber fest stehen: wir sind von einem tiefen Anstand geprägt, alles läuft nach Maß bis in die kleinsten Kommunen. Wenn ich in den Verwaltungen weile, treffe ich nur Staatsdiener, die blind vor Liebe ihre Pflicht erfüllen, an sich denken sie nicht. Nie würden sie in Versuchung kommen, Moneten für sich selbst einzustecken. Liebe Vetter, ich habe keinen von euch getroffen, der irgendwie bevorzugt worden wäre, die bösen Onkels sind nur eine Fata Morgana – es gibt sie nicht. Leben wir in einem Paradies? Ja, dank euch liebe Beamte, weil ihr nur vor euch hin döst. Ich habe also volles Verständnis, wenn einer von euch durchdreht. Die Versuchung, sich die Taschen voll zu stopfen ist groß. Aber wie sollte das geschehen ohne dabei erwischt zu werden? Wer in einer Verwaltung arbeitet, hat oft den langen Arm, er kann Hoffnungen schüren oder mit einem harten Urteil, Existenzen vernichten. Das Letztere ist die Rache der Kleinen und derjenigen, die schlecht verdienen. Viel lieber den Förderer spielen, das erbringt viel Freude und hebt erheblich das Ego. Solche Typen sind weit und breit vorhanden und sie sind anfällig, wenn ein paar Krümel für sie übrig bleiben. Durchaus, aber das kann man doch nicht Korruption nennen – es ist nur Nachsicht. Liebe Vettern, hier kann keine Rede von Vetternwirtschaft sein. Wie wir alle wissen, werden alle Posten nur mit fähigen Leuten besetzt, es zählen alleine die Diplome und dass viele von ihnen einflussreiche Onkel haben, ist reiner Zufall. Das Gegenteilige zu behaupten wäre eine Diffamierung. Nein, das lassen wir uns nicht gefallen! Wie ihr wisst, sind nur die… wiederhole ich mich?

Wann hört eine Gefälligkeit auf und wann wird sie zur Bestechung? Es ist dringend notwendig, beim kleinsten Verdacht einzugreifen. Es ist weniger die Größe der Summe die entscheidend ist, als die Tatsache in Versuchung geraten zu sein und deshalb sollte die Verwaltung scharf kontrolliert werden. Sehr oft handeln die Kommunen leichtfertig, weil sich die Leute oft seit der Schulzeit kennen und unter Kumpeln gibt es menschliche Verpflichtungen, nicht wahr? Es ist schwer nein zu sagen, wenn es sich um „Lappalien“ handelt und gerade da fangen die Scheußlichkeiten an. Da schließt man schon die Augen um „einem von uns“ nicht zu schaden und somit entstehen Handlungen, die von den Bürgern getragen werden müssen. Das geht von Baugenehmigungen bis zur Vergabe von Aufträgen, die keineswegs gerechtfertigt sind, da sie dem Allgemeinwohl nicht dienen. Nein, nein, liebe Vetter, ich habe euch nicht gemeint, es handelt sich um die Anderen. Um all diejenigen, die den Versuch unternehmen, ein wenig mehr zu ergattern. Ein Kavalier-Delikt? Keineswegs! Hier soll unbedingt mit allen Mitteln gehandelt werden, aber wie? Mit Denunzianten? Auch das ist mir zuwider. Wenn es so ist, wird sich nichts ändern, liebe Vetter. Kein Grund für euch Alpträume zu haben! Es lebe die Freiheit!

 //pm

Link zum Thema Vetternwirtschaft:

http://de.wikipedia.org/wiki/Nepotismus

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