Wohnungsnot! Die Debatte war am Wochenende erneut aufgekommen, nachdem Grünen-Chef Robert Habeck erklärt hatte, er halte Enteignungen prinzipiell für denkbar. Wenn etwa Eigentümer brachliegender Grundstücke weder bauen, noch an die Stadt verkaufen wollten, müsse notfalls die Enteignung folgen (WELT am Sonntag). Vergangenen Samstag hatten Zehntausende wegen stark steigender Mieten in vielen deutschen Städten (unter anderem Berlin, Hamburg, München) protestiert.
Was bedeutet Enteignung?
Enteignung ist der vollständige oder teilweise Entzug des Eigentums durch den Staat. Artikel 14 des Grundgesetzes schützt das Eigentum zwar ausdrücklich, lässt einen Entzug aber unter strengen Voraussetzungen zu: Der Staat darf ihn nur zum Wohle der Allgemeinheit vornehmen. Darunter sind besonders schwerwiegende öffentliche Interessen zu verstehen, die dem Gemeinwohl dienen. Darunter fallen unter anderem der Straßenausbau oder der Bau von Versorgungsleitungen.
Eine Enteignung darf nur durch ein Gesetz oder durch einen Verwaltungsakt, der wiederum auf der Grundlage eines Gesetzes beruht, erfolgen. Jede Enteignung begründet einen angemessenen Entschädigungsanspruch, zumeist in Geld. Art und Ausmaß der Entschädigung müssen bereits im zugrundeliegenden Gesetz geregelt sein, ansonsten ist die Enteignung verfassungswidrig. Bei der Bestimmung der Entschädigung sind die Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit gerecht gegeneinander abzuwägen.
Eine weitere Entziehungsmöglichkeit sieht Artikel 15 des Grundgesetzes vor: Demnach können auch Grund und Boden zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Auch in diesem Fall greift die Entschädigungsregelung. Folge dieser sog. „Sozialisierung“ ist, dass die Güter nicht mehr dem privaten Gewinnstreben dienen. Stattdessen soll die Nutzung unmittelbar der Allgemeinheit zugutekommen.
Was ist von der Forderung nach Enteignungen der Immobilienkonzerne zu halten? Wenig!
Populistische Ideen haben in der Politik seit einigen Jahren Hochkonjunktur, und zwar international wie national. Ein Beleg dafür ist die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, ein anderer sind die Erfolge der AfD in Deutschland. Die Kampagne zur Enteignung von Immobilienkonzernen zwecks Lösung der Wohnungsnot passt genau in diesen Kontext: Eine scheinbar simple Lösung für ein höchst komplexes Problem, das ist Populismus pur.
Weiterhin wären solche Maßnahmen ökonomischer Nonsens. Wohl der wichtigste Grund zur Ablehnung der fraglichen Enteignungen: Sie würden das Problem überhaupt nicht lösen. Nicht genug damit, dass, wie bereits vielfach von Kritikern vorgebracht, dadurch nicht eine einzige zusätzliche Wohnung entstünde. Vielmehr ist auch höchst fraglich, ob die öffentliche Hand als neuer Vermieter die entsprechenden Wohnräume günstiger zur Verfügung stellen würde. Berlin beispielsweise ist noch immer hochverschuldet und hätte vermutlich schon Schwierigkeiten, die milliardenschwere Entschädigung zu stemmen, die im Falle der Übernahme der Wohnungsbestände an die Konzerne fällig würde (manager-magazin.de).
Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage, ob eine Enteignung, wie sie hier beim Thema Wohnungsnot diskutiert wird, juristisch überhaupt zulässig wäre. Eine abschließende Klärung ist hier auf die Schnelle nicht möglich. Aber Folgendes:
In Berlin beispielsweise sieht die Mieterinitiative vor, Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3.000 Einheiten zu enteignen. Zwar gibt es den entsprechenden Passus, der als Grundlage dafür von Befürwortern zitiert wird, im Grundgesetz durchaus. In der gleichen Verfassung ist jedoch auch das Gleichheitsgebot festgeschrieben. Und weshalb ein Eigentümer von 2.999 Wohnungen einem Eigentümer von 3.000 Wohnungen in diesem Zusammenhang vorgezogen werden soll, erschließt sich nicht wirklich.
Fazit: Etwa ein Dutzend Unternehmungen wären allein in Berlin mit rund 240.000 Wohnungen betroffen – rund 15 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestandes. Nach einer Schätzung des Senats würde – wie oben bereits ausgeführt – eine Vergesellschaftung mit Entschädigung das ohnehin hoch verschuldete Berlin zwischen 28,8 und 36 Milliarden Euro kosten (wiwo.de).
Die Initiatoren des Volksbegehrens setzen weit niedrigere Summen an.
Nicht zuletzt ein teurer Deal, den die mit als Steuerzahler zahlen würden, für die die Wohnungen angeblich „günstig“ bereitgestellt werden sollen.