Aufgrund der Dummheit von Rasern – oft bei Wettrennen in Innenstädten – kamen in der jüngeren Vergangenheit Menschen zu Tode.
Mord ist qualifizierter Totschlag. Totschlag ist das vorsätzliche Töten eines Menschen. Bevor man über Qualifikationen (Schärfungen) des Totschlags nachdenkt, muss man daher über den Vorsatz nachdenken. „Fahrlässigen Mord“ gibt es nicht.
Vorsatz gibt es in drei Formen: Absicht, direkter Vorsatz, bedingter Vorsatz. Absicht ist gegeben, wenn der Erfolg einer Tatbestandsverwirklichung das Motiv des Täters ist: A schießt auf B, weil er ihn hasst und töten will. Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter als sicher annimmt, dass seine Handlung zu dem Taterfolg führen wird, auch wenn ihm dieser Erfolg nicht wichtig ist oder er ihn sogar bedauert: A zündet ein Wohnhaus an, um die Versicherung zu betrügen; dass der Mieter B ums Leben kommt, tut ihm leid, ist aber „nicht zu vermeiden“.
Die Raser beabsichtigen den Tod der Passanten nicht – die Frage lautet aber: Haben sie ihn billigend in Kauf genommen? Dann hätten sie mit Eventualvorsatz gehandelt.
Kompliziert ist der bedingte Vorsatz: Die Rechtsdogmatik trennt zwischen „kognitivem Element“ (Täter weiß, dass der Erfolg eintreten kann) und „voluntativem Element“ (Täter nimmt den Erfolg „billigend in Kauf“) (Fischer in zeit.de 07.03.2017).
Die nächste Frage muss heißen: Reicht diese Art von Vorsatz, um die Raser wegen Mordes zu verurteilen?
Das Landgericht Hamburg hatte das in seinem Urteil so gesehen, der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies nunmehr bestätigt durch Zurückweisung der Revision mittels Beschluss.
Der Sachverhalt:
Ein Mann stiehlt ein Taxi und rast mit dem unbeleuchteten Fahrzeug betrunken auf der Flucht vor der Polizei durch Hamburg. Dabei stirbt ein 22-Jähriger (welt.de).
Das ist Mord, bestätigte jetzt der BGH.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wies in dem neulich veröffentlichten Beschluss die Revision des Angeklagten als unbegründet zurück. Das Landgericht Hamburg hatte den Mann vor einem Jahr verurteilt, weil er mit einem gestohlenen Taxi einen tödlichen Unfall verursacht hatte. Der damals 24-Jährige war betrunken und mit dem unbeleuchteten Fahrzeug auf der Flucht vor der Polizei. Dabei fuhr er mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 Kilometer pro Stunde auf die dreispurige Gegenfahrbahn und prallte frontal mit einem entgegenkommenden Taxi zusammen. Ein Mensch kam bei dem Unfall ums Leben, weitere zwei wurden schwer verletzt. Das Landgericht Hamburg hatte einen „bedingten Tötungsvorsatz“ festgestellt, weil ihm das Leben anderer und auch das eigene Leben gleichgültig gewesen seien. Es hatte den Raser deshalb wegen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, was der BGH jetzt bestätigte (Beschluss vom 16.01.2019, Az.: 4 StR 345/18).
Für ein Mordurteil muss ein Gericht mindestens ein Mordmerkmal nach Paragraf 211 des Strafgesetzbuches feststellen. Dazu gehören zum Beispiel Mordlust, Habgier, Heimtücke oder die Absicht, eine andere Straftat zu verdecken. Nach dem Beschluss des BGH hat das Landgericht Hamburg die Verdeckungsabsicht des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Mann habe kompromisslos der Polizei entkommen wollen.
2018 entschied er in einem ähnlichen Fall noch anders. Damals hatte der BGH in einem anderen Fall aus Berlin das bundesweit erste Mordurteil nach einem illegalen Autorennen zweier junger Männer aufgehoben. Die beiden hatten sich auf dem Kurfürstendamm mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde ein Rennen geliefert und dabei rote Ampeln missachtet. Einer der Fahrer rammte einen Geländewagen, dessen Fahrer starb. Das Landgericht Berlin hatte den Fahrern einen „bedingten Vorsatz“ bescheinigt: Sie hätten den Tod anderer billigend in Kauf genommen. Der BGH sah aber den Vorsatz – Voraussetzung für ein Mordurteil – nicht als ausreichend belegt an.
Was folgt daraus? Ein neuer Straftatbestand (nach dem neuen Paragrafen 315d StGB werden illegale Autorennen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft, wenn dabei Menschen schwer verletzt oder getötet werden) ist geschaffen worden; aber an Sanktionsmöglichkeiten gibt es eigentlich keinen Mangel. Man muss kriminelle Fetischisten da treffen, wo es wirkt. Aber nicht die Allgemeinheit (faz.net). Raserei ist durch Tempolimits nur bedingt einzudämmen. Denn gerast wird überall, innerhalb und außerhalb von Geschwindigkeitsbegrenzungen, und zwar mit lebensgefährlicher Wirkung – in verkehrsberuhigten Zonen, vor Schulen, auf Landstraßen.