Ein drittes Geschlecht soll Personen bezeichnen, die sich in das heteronormale Geschlechtssystem („Frau“ oder „Mann“) nicht einordnen lassen (wollen) (Wikipedia).
Selten hat ein Gerichtsurteil so gegensätzliche Bewertungen ausgelöst wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 2017 zur Einführung eines dritten Geschlechts in deutsche Geburtsregister. Wenn nun ab Januar diesen Jahres neben „männlich“ und „weiblich“ auch doe Auswahl „divers“ auf Behördenformularen erscheint, sind sich Gegner und Befürworter zumindest in einer Sache einig: Es ist eine Zäsur, deren Wirkung nicht nur Intersexuelle in Deutschland betrifft. Von der „beklopptesten Idee aller Zeiten“, schrieb die Berliner AfD. Eine „historische Entscheidung“, meldete hingegen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (zeit.de). Unrecht haben beide.
Die Neuerung zielt auf intersexuelle Menschen, deren Körper weibliche und männliche Merkmale aufweisen. Auch „ohne Angaben“ kann weiterhin ausgewählt werden.
Wenn ein Kind nach der Geburt weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich ist, kann der Eintrag im Geburtenregister zu einem späteren Zeitpunkt beim Standesamt geändert werden. Das gilt auch in Fällen, in denen nach der Geburt ein falsches Geschlecht gewählt wurde. In diesen Fällen wird es auch möglich sein, den Vornamen des Betroffenen zu ändern.
Für diese späteren Änderungen muss dann eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, um nachzuweisen, dass eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt, wie es im Gesetz heißt. Eine Ausnahme gilt für Personen, deren Geschlechtsvariante nach einer früheren medizinischen Behandlung nicht mehr oder nur durch eine unzumutbare Untersuchung nachgewiesen werden kann. In diesen Fällen reicht eine eidesstattliche Versicherung.
Vanja heißt der 26-jährige Mensch, der sich bis zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe hochklagte, um sich und den bis zu 120.000 anderen Intersexuellen in Deutschland zu einer juristischen Kategorie jenseits von Mann und Frau zu verhelfen. Mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen hat das auf den ersten Blick nichts zu tun – schließlich gilt Vanja mit nur einem einzelnen X-Chromosom auch biologisch weder als männlich noch weiblich.
Was machen wir mit den durchschnittlich 150 Babys je Jahr, bei denen Ärzte nicht eindeutig sagen können, ob sie männlich oder weiblich sind? Lange Zeit lautete die Antwort: Mit dem Kind stimmt etwas nicht. Der Fachbegriff: „Störung der Geschlechtsentwicklung“. Die Karlsruher Richter sahen das anders: Mit dem Kind ist alles in Ordnung, aber mit unserem gesellschaftlichen Umgang stimmt etwas nicht. Folge: die Einführung eines dritten Geschlechts für Intersexuelle!
Hinter dem Kästchen „divers“ verbirgt sich nicht eine biologische Wirklichkeit, sondern Dutzende.
Im Fall des dritten Geschlechts lassen sich Gender und Sex nicht problemlos trennen. In der Karlsruher Urteilsbegründung steht zu lesen, dass auch „nach eigenem Empfinden ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich“ möglich ist“. Es zeigt sich, dass nach der höchstrichterlichen Entscheidung nicht nur Chromosomen, sondern auch die Selbstwahrnehmung bei Intersexuellen eine Rolle spielt.
Das Geschlecht wird „von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt“ (bundesverfassungsgericht.de). Anders ausgedrückt: das Geschlecht ist mehr als reine Biologie!
Wie sieht das zukünftig in den Betrieben aus?
Stellenausschreibungen müssen verstärkt „geschlechterinklusiv“ ausgeschrieben werden. Beispielsweise stehen in den Jobanzeigen dann die Angaben „m“ für männlich, „w“ für weiblich und „d“ für divers. Auch die Benutzung von Unterstrichen und Gender-Sternchen dürfte im Sprachgebrauch der Arbeitswelt zunehmen. Zudem könnte es in bestimmten Berufen Auswirkungen auf die Dienstbekleidung geben. Denn ein Arbeitgeber kann einen intersexuellen Mitarbeiter nicht von vornherein auf das Tragen von Krawatte oder Rock verpflichten.
Muss es überall neben Damen- und Herren-WC eine dritte Toilette geben?
Nein. Es reicht die Klarstellung, dass eine von mehreren vorhandenen Toiletten allen zur Verfügung steht somit besteht kein Zwang, in Betrieben eine dritte Toilette einzurichten.