Griechenland steht vor einem Superwahljahr. Im Mai 2019 werden in zwei Durchgängen im ganzen Land Gemeinderäte und Bürgermeister gewählt. Ebenfalls im Mai steht die Europawahl an. 2019 muss auch ein neues Parlament gewählt werden. Der Urnengang wird über das politische Schicksal von Alexis Tsipras entscheiden.

Die Legislaturperiode läuft normalerweise erst im September aus. Es ist fraglich, ob Tsipras noch solange durchhalten wird. Die Vorentscheidung über den Wahltermin könnte bereits im Januar fallen. Dass Tsipras schlechte Noten bekommt, ist vor allem der Wirtschaftslage geschuldet. Griechenland hat zwar Ende August 2018 den Euro-Rettungsschirm verlassen. Der Premier sprach von einem „historischen Datum“ und feierte das Ende der Hilfsprogramme als „Befreiung“ (welt.de). Auch wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte und das Land für weiterhin insolvent hielt, deklarierten die Regierung in Athen und die Eurofinanzminister: „Mission accomplished“, was sehr nach Selbstlob klang. Zugleich stellten Investoren in Aussicht, den noch immer hoch verschuldeten Staat wieder für kreditwürdig zu halten.

Die Krise ist noch nicht vorbei. Das Land ist ausgezehrt. In den acht Rezessionsjahren wurde ein Viertel der Wirtschaftskraft vernichtet, die Menschen verloren im Durchschnitt ein Drittel ihrer Einkommen und 40 Prozent ihrer Vermögen. Seit 2017 wächst die Wirtschaft zwar wieder, aber schwächer als erwartet. Die meisten Menschen spüren noch keinen Aufschwung.

Die Arbeitslosenquote sinkt zwar langsam, ist mit fast 19 Prozent aber immer noch die höchste in der Europäischen Union. Unter den 15- bis 24-Jährigen beträgt die Quote sogar knapp 37 Prozent (fr-online.de). Auch wer Arbeit findet, kann sich nicht immer glücklich schätzen. Mehr als die Hälfte aller neuen Arbeitsverhältnisse sind Zeitverträge oder schlecht bezahlte Teilzeitjobs. Jeder vierte Beschäftigte in der griechischen Privatwirtschaft verdient weniger als 500,– Euro/Monat. Um wirtschaftlich wieder in Schwung zu kommen, braucht Griechenland dringend Investitionen. Aber genau da hapert es. Im dritten Kalendervierteljahr 2018 gingen die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent zurück.

Oppositionschef Mitsotakis führt das vor allem auf die Steuer- und Abgabenpolitik der Regierung Tsipras zurück, die Unternehmen belaste, zu hohen Lohnnebenkosten führe und so Investoren abschrecke. Mitsotakis will die Mehrwertsteuer, die Sozialversicherungsbeiträge, die Einkommenssteuer und die Unternehmenssteuern senken, so die Konjunktur ankurbeln und 700.000 neue Arbeitsplätze schaffen (badische-zeitung.de).

Mitte Januar soll das Athener Parlament das Abkommen über den neuen Staatsnamen des Nachbarlands Mazedonien ratifizieren. Es soll sich künftig „Nord Mazedonien“ nennen. Unter diesem Namen könnte es der NATO und der Europäischen Union beitreten. Aber die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel), mit denen Tsipras seit vier Jahren in einer Koalition regiert, wollen den Kompromiss nicht mittragen und die Regierung verlassen, wenn der Vertrag zur Abstimmung kommt. Damit verlöre Tsipras seine Mehrheit. Beobachter rechnen deshalb mit Neuwahlen im März oder zeitgleich mit der Europawahl im Mai.

Glaubt man den Demoskopen, kann Tsipras nicht mit seiner Wiederwahl rechnen.

Die Krise hat sich – wie erwähnt – zurückgemeldet. Die Bilanz der Jahre unter dem Troika-Kuratel bleibt verheerend. Um die Gesamtschulden einzudämmen – sie liegen bei fast 180 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung (freitag.de) – wie das Defizit im laufenden Staatshaushalt in einen rechnerischen Überschuss (den sogenannten Primärüberschuss) zu verwandeln, fehlt es der nationalen Ökonomie an Potenzial. Statt der notwendigen Reformen des griechischen Staates, die Geld gekostet hätten, wurde nach dem Austeritätsdogma saniert. Es gab erhöhte Steuern, beschnittene Renten, Minderausgaben für Gesundheits- und Sozialdienst. Das Alltagsleben geriet für eine Mehrheit zum täglichen Überlebenskampf. Inzwischen hat sich die Lebensmittelversorgung für Teile der Bevölkerung, vorrangig auf dem Land, so verschlechtert, dass von Mangelernährung die Rede ist.

Zwar wächst die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,6 Prozent, doch verunsichern die griechischen Banken, die faule Kredite nicht refinanzieren können.

Alexis Tsipras steht noch ein langer Weg bevor.

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