Der SPD-Vorstand will erneut versuchen, den früheren Berliner Finanzsenator und umstrittenen Autor Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Sarrazin propagiere Thesen, die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar seien und der Partei schweren Schaden zufügten, hört man aus SPD-Kreisen.
Im Sommer hatte die SPD-Spitze Sarrazin aufgefordert, die Partei freiwillig zu verlassen, nachdem er sein neues islamkritisches Buch vorgestellt hatte. Eine Arbeitsgruppe wurde zudem damit beauftragt, das Buch zu prüfen und die Möglichkeit eines Parteiausschlussverfahrens auszuloten. Die Untersuchungskommission hat jetzt einen umfassenden und sehr fundierten Bericht vorgelegt. Auf dieser Grundlage habe der Parteivorstand entschieden, ein neues Parteiordnungsverfahren einzuleiten.
Sarrazin selbst hingegen hat gelassen auf das erneute Ausschlussverfahren der SPD gegen ihn reagiert. Der Beschluss des SPD-Parteivorstands sei „Teil des innerparteilichen Machtkampfes um die künftige Linie der SPD“ (tagesspiegel.de). Er sei nicht überrascht über die Entscheidung der Parteiführung und warte nun in Ruhe ab, was der SPD-Vorstand ihm schreiben werde. Er behalte sich vor, einen Anwalt einzuschalten und den Rechtsweg zu beschreiten. Er wisse, dass er in seinem neuen Buch „Feindliche Übernahme“ keine sozialdemokratischen Grundsätze verletzt habe. Das gelte auch für seine vorherigen Veröffentlichungen (pnp.de).
Der Betroffene sagte, er arbeite mit Fakten, auf deren Basis er seine Argumentation aufbaue. Er sei seit 45 Jahren SPD-Mitglied und seine politischen Grundeinstellungen hätten sich „in diesen 45 Jahren nicht verändert“. Von dem Beschluss des Vorstandes habe er aus den Medien erfahren.
Die SPD ist schon zweimal mit dem Versuch gescheitert, den ehemaligen Berliner Finanzsenator aus der Partei zu werfen. Sarrazin hatte unter anderem als Auflage bekommen, sich nicht parteischädigend zu verhalten. Er ist als Autor vor allem für seinen 2010 erschienen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ bekannt.
Die Hürden für einen Parteiausschluss sind generell hoch, damit er nicht als Instrument missbraucht werden kann, missliebige Menschen loszuwerden.
Schon bei Sarrazins erstem Freispruch zum Vorwurf der Parteischädigung – eine Berufung der Antragsteller vor der Landesschiedskommission blieb erfolglos – entschied die Kommission, die Partei müsse „solche provokanten Äußerungen aushalten“. Das Gremium stellte aber zugleich klar, dass Sarrazin damit keinen Freifahrtschein für alle künftigen Provokationen erhalte (zeit.de).
Am Ende könnte das ganze Prozedere der SPD weit mehr schaden, als Sarrazin weiterhin als passives Mitglied zu ertragen. Dieser ist 73 Jahre alt. Sein letztes Parteiamt übte er 2009 aus. Dass er nochmal eine nennenswerte Funktion einnimmt, ist ausgeschlossen. Der Aufwand ist deshalb unverhältnismäßig.
Ein Parteiausschlussverfahren ist zäh und langwierig, die Hürden für einen Ausschluss liegen hoch. Die SPD muss Sarrazin eben erst einmal nachweisen, dass er ihr schweren Schaden zugefügt hat. Das könnte schwierig werden – entsprechend groß ist die Gefahr des Scheiterns.
Die SPD kann sich das in letzter Zeit gerade gar nicht leisten. Eine Niederlage würde die ohnehin geschwächte Parteichefin Andrea Nahles hart treffen. Und man stelle sich mal, die Nachricht eines gescheiterten Parteiausschlusses platzt im Sommer 2019 mitten hinein in die für die SPD so wichtigen wie schwierigen Landtagswahlkämpfe in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.
Laut einer Umfrage für Ostdeutschland (forsa.de) liegt die SPD mit desaströsen acht Prozent auf dem fünften Platz. Die drei Wahlen im Osten sind ein „Endspiel im Überlebenskampf der Partei“ (handelsblatt.com). Die sollte sich daher lieber auf die wichtigen Herausforderungen im Wahlkampf – vor allem gegen die AfD im Osten – konzentrieren statt auf Thilo Sarrazin.
Ein innerparteiliches Machtgeschacher wird die Wähler nicht zufrieden stellen, nicht mal