Das Kandidatenfeld bei den Zwischenwahlen in den USA war so vielfältig wie nie zuvor. Einige von ihnen haben in der Nacht Sensationen perfekt gemacht.

So viele Frauen wie nie zuvor sind bei der Zwischenwahl 2018 für Ämter im Kongress angetreten. Und nicht nur das: Mehr Kandidaten aus der LGBTQ-Community stellten sich zur Wahl, und der Anteil an Hispanics, Afroamerikanern und Ureinwohnern war wesentlich höher als zuvor. Es wurden das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Jetzt sind die Ergebnisse da: Die oppositionellen Demokraten haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen können. Hingegen konnte die Republikanische Partei von Präsident Donald Trump ihre Mehrheit im Senat verteidigen.

Ausgangslage: Die Republikaner hatten die Mehrheit in beiden Kammern, die Demokraten hatten jedoch die Chance, stärkste Kraft im Repräsentantenhaus zu werden. Im Senat war allerdings früh klar, dass es schwierig werden dürfte. Umfragen prognostizierten ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Es wurde dann doch zumindest eine kleine blaue Welle. Die Demokraten konnten bei den Midterm-Wahlen in den USA einige Gouverneursposten erobern, ihre neue Mehrheit im Repräsentantenhaus liegt im Rahmen der Erwartungen. Trotzdem mussten die Demokraten bis zum Schluss um diesen Erfolg zittern – nicht zuletzt eine Eigenart der Wahlkreisziehung, die die Republikaner bevorteilt. Doch es liegt nicht nur an diesem US-typischen „Gerrymandering“ (der politikwissenschaftliche Begriff, der die Manipulation von Wahlkreisgrenzen in einem Mehrheitswahlsystem bezeichnet, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren (wikipedia)). US-Präsident Donald Trump lief in den letzten Tagen vor der Wahl noch einmal zur Höchstform auf. Es wäre nicht der Dauerwahlkämpfer Trump, wenn er nicht noch rechtzeitig ein Feindbild geschaffen hätte, um seine Wähler mit Hassrhetorik an die Urnen zu peitschen: die „Migranteninvasion“. Der Präsident ließ an der texanisch-mexikanischen Grenze schwerbewaffnete Soldaten aufmarschieren, was letztlich der demokratischen Zukunftshoffnung Beto O’Rourke in Texas wohl den Wahlsieg gekostet hat. Die aggressive Hassrhetorik, die Demagogie, die Angstmache vor den „sozialistischen Demokraten“ wirkten. Nicht nur den Demokraten gelang die Mobilisierung, auch überdurchschnittlich viele Trump-Sympathisanten haben sich aufgerafft, um ihre Stimmen abzugeben. Trotzdem wird das Repräsentantenhaus in den nächsten beiden Jahre wieder demokratisch dominiert. Der Präsident unterliegt nun im Sinne der „Checks and Balances“ wieder einer stärkeren Kontrolle.

Welche Bedeutung hat das Ergebnis im Repräsentantenhaus? Die Demokraten haben im Repräsentantenhaus eine Vielzahl von Sitzen hinzugewonnen und die republikanische Mehrheit gekippt. Künftig könnten sie damit zahlreiche Untersuchungen gegen Donald Trump einleiten, Zeugen vorladen und Dokumente einfordern. Diese könnten für den US-Präsidenten unangenehm werden, wenn es beispielsweise um seine Steuererklärungen, die Wahlkampffinanzierung bei der Präsidentenwahl von 2016 und die mögliche Einmischung Russlands in die Wahl geht.

Eine demokratische Mehrheit könnte auch die Gesetzgebung blockieren. Das würde allerdings voraussetzen, dass die Demokraten als geschlossener Block abstimmen (zeit.de) – was nicht immer zwingend der Fall sein muss. Gespalten sind die Demokraten vor allem in ländlichen Gebieten, wenn es beispielsweise um eine Verschärfung der Waffengesetzgebung geht.

Der Senat bleibt weiterhin mehrheitlich republikanisch – man spricht hier von einem sogenannten „geteilten US-Kongress“. Die Republikaner haben ihre Mehrheit wahrscheinlich sogar leicht ausgebaut (nzz.ch). Das bedeutet: Im Repräsentantenhaus könnten die Demokraten ab Januar 2019, wenn die neuen Abgeordneten einziehen, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten und dieses auch führen. Entscheiden müsste aber am Ende der republikanisch dominierte Senat mit einer Zweidrittelmehrheit. Derzeit ist eine so große Mehrheit für eine Amtsenthebung Trumps kaum vorstellbar.

Die Demokraten müssen sich entscheiden, wohin die Reise geht. Und das am besten im Rahmen einer lebendigen Diskussion, die Personen hervorbringt, die es mit Trump aufnehmen können. Die Bandbreite reicht vom linken Bernie Sanders bis zum etablierten Ex-Vize-Präsidenten Joe Biden und hoffentlich darüber hinaus. Die Richtungsdiskussion ist spätestens jetzt eröffnet und muss auch geführt werden. Um mit der New York Times zu sprechen: „Der beste Weg, die Demokratie zu retten, ist, sie zu praktizieren“.

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