Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) fürchtet aufgrund zunehmender nationaler Egoismen um den Erfolg des Bologna-Prozesses. Im Vorfeld der Konferenz zum europäischen Hochschulraum, die am 24. und 25. Mai in Paris stattfand, sagte die CDU-Politikerin: „Wir wollen den gemeinsamen europäischen Hochschulraum stärken. Das gelingt aber nur, wenn alle Länder daran arbeiten und die Freiheit von Wissenschaft und Forschung und die Unabhängigkeit der Hochschulen achten und fördern“ (welt.de).
Vor 20 Jahren ging es los, im Mai 1998 in Paris an der Sorbonne-Universität. Eine gemeinsame europäische Hochschulpolitik sollte entstehen, das hatten sich die Bildungsminister mehrerer Länder überlegt. Damit startete der Bologna-Prozess in Europa. Die offensichtlichsten Veränderungen waren die Umstellungen auf die Bachelor- und Master-Abschlüsse. Seitdem gibt es auch immer wieder Kritik an der Reform, manche Kritiker sprechen sogar von einem „Unfall mit Fahrerflucht“, denn die damaligen Politiker sind heute nicht mehr im Amt. Abgeschlossen ist der Prozess zudem auch noch nicht. Alle paar Jahre treffen sich die 48 teilnehmenden Länder, um Bilanz zu ziehen. So auch derzeit in der Sorbonne, zum 20. Jubiläum.
Den französischen Gastgebern lag es bei dem Ministertreffen sehr daran, dem Bologna-Prozess eine neue Dynamik, einen neuen Atem zu versetzen. Man muss sich daran erinnern, die Finanzkrise hat Europa sehr zugesetzt. Vor allem in südeuropäischen Ländern führte das zu drastischen Sparmaßnahmen, auch im Bildungsbereich. Und heute sorgt das Erstarken populistischer Kräfte in Europa mancherorts für Abschottung. Alles Prozesse, die dem geeinten Europa Knüppel zwischen die Beine werfen.
Eine von den Ministern diskutiertes Thema, jungen Leuten Europa konkreter zu machen, sei die Überlegung eines europäischen Ausweises für europäische Studierende, um damit auch eine Identität europäischer Studierender aufzubauen. „Der soll dazu dienen, dass jemand überall, wo er hinkommt, in die Unibibliothek gehen kann, dass er sich am Kaffee-Automaten Kaffee holen kann, dass seine Abschlüsse darauf verzeichnet sind und Daten papierlos übertragen werden können (deutschlandfunk.de).
Zum Fortschritt der Bologna-Reform liegt eine detaillierte Bilanz vor. Diese zeigt, dass manche Staaten große Probleme bei der Umsetzung haben. Die Bilanz insgesamt ist sehr durchwachsen.
In Deutschland hat Bologna, vor allem die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, zu jahrelangen Protesten geführt. Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet.
Die Frage ist, ob in Deutschland der Bologna-Prozess erfolgreich umgesetzt wurde. Denn immer noch gibt es Kritik. Immer noch hapert es an der Anerkennung von Studienleistungen, immer noch gelten die neuen Studiengänge als zu unflexibel und verschult, immer noch ist die Mobilität von Studierenden und Wissenschaftlern unzureichend.
„Europas Jugend stark machen“, so lautete das Motto der Ministerkonferenz in Paris. Doch eigentlich geht es darum, Europa stärker zu machen. Das zeigt sich im Schlusskommuniqué der European High Education Area. Darin haben die Mitglieder des gemeinsamen europäischen Hochschulraums festgehalten:
„In einer Zeit, wo Europa vor wichtigen sozialen Herausforderungen steht – das reicht von Arbeitslosigkeit über soziale Ungleichheit und Migrantenthematik bis hin zum Aufkommen politischer Polarisierung, Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus -, kann und muss höhere Bildung eine entscheidende Rolle spielen und Lösungen anbieten. Sie muss gleichfalls eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Fakten anbietet, die als Basis dienen für öffentliche Debatten und Entscheidungsfindung.“
Mit der „integrierten transnationalen Zusammenarbeit“ ist die Vision der „Europäischen Hochschulnetzwerke“ gemeint. Eine Idee, für die der französische Staatpräsident Emmanuel Macron seit einem halben Jahr die Werbetrommel rührt. Mit Erfolg: Deutschland wird sich an deren Aufbau aktiv beteiligen, kündigte Bundesbildungsministerin Karliczek bei der Konferenz an. Auch Brüssel hat Macron auf seiner Seite.
Ja, vereinigen wir die Bildung Europas, hauptsächlich der Jugend, gelingt es uns vielleicht, auch Europa zu einen.