Die in der Vorinstanz beschäftigten Verwaltungsgerichte hatten in Stuttgart und Düsseldorf geurteilt, dass zur Luftreinhaltung auch Fahrverbote in Betracht gezogen werden können. Dagegen legten die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Revision ein, weil sie die rechtliche Zuständigkeit für Fahrverbote beim Bund sahen.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 7 C 26.16 und BVerwG 7 C 30.17) wies die Revisionen nun weitgehend zurück. Die Urteile der Verwaltungsgerichte seien „überwiegend nicht zu beanstanden“, so der Vorsitzende Richter. Das Gericht gab den Behörden auf, die Luftreinhaltepläne entsprechend zu überarbeiten.
Das Urteil des obersten Verwaltungsgerichts sieht eine stufenweise Einführung von Fahrverboten vor. So sollen in Stuttgart zunächst Fahrverbote für ältere Diesel bis Euro-4-Norm geprüft werden, für Euro-5-Autos soll es Fahrverbote frühestens ab September 2019 geben.
Die Richterinnen und Richter des obersten deutschen Verwaltungsgerichts halten Fahrverbote für zulässig, verwiesen aber zugleich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin. Die beklagten Städte Düsseldorf und Stuttgart müssten ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen, urteilte das Gericht und forderte Übergangsfristen sowie die phasenweise Einführung der Fahrverbote. Zudem muss es gemäß diesen Vorgaben Ausnahmeregelungen etwa für Handwerksbetriebe geben – allerdings keine finanzielle Ausgleichspflicht. „Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen“, sagte der Vorsitzende Richter. Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen „Flickenteppich“ zu verhindern.
Wie soll es weitergehen? Diesel-Fahrverbote sind eine einschneidende Maßnahme. Die Behörden brauchen daher eine gesetzliche Grundlage, um ein Fahrverbot anzuordnen – und auch ein Verkehrsschild, um es publik zu machen. Dass deutsche Gesetze bis dato eine solche Grundlage hergeben, bestritten die Vertreter von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Der Vorsitzende Richter lenkte hingegen die Diskussion in Richtung EU-Recht. Das sehe die Grenzwerte ausdrücklich vor und verlange, dass die EU-Staaten sie mit wirksamen Instrumenten auch einhalten. Kann man auf diesem Weg die Unklarheiten im deutschen Recht in Sachen Rechtsgrundlage ausräumen? Also das deutsche Recht „EU-konform“ auslegen?
Das Bundesverkehrsministerium plant eine Regelung, nach der Städte in besonders belasteten Straßen Fahrverbote aussprechen könnten. Es ist also grundsätzlich nicht erlaubt, ganze Städte mit Fahrverboten zu belegen. Allerdings bleibt bei dieser Lösung die Schwierigkeit, wie die Städte das Fahrverbot effektiv kontrollieren wollen. Auch steht zu befürchten, dass angrenzende Wohngebiete stärker mit Durchgangsverkehr belastet werden.
Durchaus etwas bewegen könnte das Urteil bei den Autoherstellern. Auf sie wächst der Druck, ihre Diesel-Motoren nachzurüsten. Die EU-Kommission hat ein Auge auf die Schadstoffbelastung in den deutschen Städten und hat bereits mit einem Gerichtsverfahren vor dem EuGH, einem sogenannten Vertragsverletzungsverfahren, gedroht. Mit dem Urteil aus Leipzig hat die Bundesregierung Zeit gewonnen, das Problem ist aber nicht gelöst.
Eine Klage der Kommission (Vertragsverletzungsverfahren) wäre eine andere Gerichtsbaustelle als wenn das Bundesverwaltungsgericht eine Vorlage an den EuGH beschlossen hätte. Mit dem grundsätzlichen „Ja“ zu Fahrverboten hat sich das Bundesverwaltungsgericht für die harte Variante entschieden und der Versuchung widerstanden, die spätere Klärung der Rechtsfragen in einem Vorlageverfahren dem Europäischen Gerichtshof zu überlassen.
Die Autohersteller müssen die Verantwortung für die technische Nachrüstung übernehmen. Die FDP geht noch weiter: Deren Chef Lindner nannte es einen „Schlag gegen Freiheit und Eigentum, weil wir uns zu Gefangenen menschengemachter Grenzwerte machen“. Es müsse alles getan werden, damit es nicht zu einer „kalten Enteignung“ von Besitzern von Dieselautos komme und die Mobilität nicht eingeschränkt werde.
In Zukunft müssen wir uns Gedanken machen über mehr intelligente Verkehrsführung und Elektrisierung des Nahverkehrs. Die Autohersteller müssen Fahrzeuge – falls nötig – auf eigene Kosten nachrüsten, so die Vorschläge der Politik.
Auch die festgelegten Grenzwerte und deren Messung müssen wissenschaftlich fundierter werden. Es gibt noch viel Arbeit!