Seit das Smartphone allgegenwärtig ist, empfinden viele Menschen es als normal, in ihrem täglichen Tun ständig unterbrochen zu werden. Ein Informatiker der Universität Bonn hat eine App entwickelt, mit der Menschen messen können, wie häufig und wie lange sie ihr Smartphone täglich nutzten. Vergangenen Herbst veröffentlichte der Wissenschaftler die Auswertung der Daten von 60.000 Nutzern seiner App. Das Ergebnis: Im Durchschnitt entsperrten die Testpersonen 53 Mal am Tag den Bildschirm ihres Geräts. Damit unterbrachen sie im Schnitt alle 18 Minuten die Tätigkeit, mit der sie gerade beschäftigt waren. Das heißt, die Nutzer griffen nicht nur zum Smartphone, wenn sie einen Anruf, eine E-Mail oder eine andere Benachrichtigung erhielten. Sie aktivierten das Gerät, um im Internet zu surfen oder Apps zu nutzen – also wohl auch aus Langeweile.

Damit birgt das Smartphone ein hohes Potenzial, seine Nutzer beständig von ihrer eigentlichen Tätigkeit abzulenken. Außerdem bietet es die Möglichkeit, zu prokrastinieren, sich also von häufig unangenehmen Aufgaben abzuwenden. Gepaart mit einer beständigen Angst, etwas Wichtiges oder Aktuelles zu verpassen, hat dies viele Smartphone-Nutzer abhängig von ihrem Gerät gemacht. Ein Smartphone muss also gar nicht ständig klingeln, um die Aufmerksamkeit seines Besitzers an sich zu fesseln. Viele sind mit ihm derart psychisch und physisch verwachsen, dass man in der Wissenschaft von Smartphone-Sucht spricht.

Zeit ist Geld – vor allem im Büro. Das Telefon klingelt, wir nehmen den Anruf selbstverständlich sofort entgegen. Aber dafür Outlook ignorieren? Kommt gar nicht in Frage! Wir telefonieren und checken parallel Mails. Manche Zeitgenossen beantworten ihre Nachrichten sogar während eines Telefonats. Bekommt der Gesprächspartner doch nicht mit! Aber ein aufmerksamer Zuhörer merkt schon an der Stimme, dass der Mensch am anderen Ende der Leitung nicht ganz bei der Sache ist. Er ist einsilbig und verliert schnell den Gesprächsfaden. Spätestens das leise Klicken von Maus und Tastatur verrät die Unhöflichkeit.

Abgesehen davon, dass ein solches Verhalten nicht von gutem Benehmen zeugt, kommt ein anderer Stolperstein hinzu: Wer mit seinen Gedanken bei zwei Aufgaben gleichzeitig ist, bringt sich leicht in die Situationen, unter Umständen beide mistig zu erledigen. Er macht Fehler!

Wir müssen eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten! Das ist unter Psychologen eine Binsenweisheit. Und das sagt einem der gesunde Menschenverstand – der aber bei immer mehr Menschen mit Blick aufs Smartphone auszusetzen scheint. Es bleibt nach einem Arbeitstag das ungute Gefühl, heute mal wieder zu wenig erledigt zu haben – obwohl man doch an so vielen Baustellen gleichzeitig zugange war. Die Ursache des Problems ist ebenso simpel wie selbst geschaffen: Der Mensch ist nicht multitaskingfähig.

Eine Studie hat erwiesen, dass, sobald Probanden mehr als zwei Aufgaben gleichzeitig bewältigen sollen, sie sich auf die beiden Fragestellungen, deren Lösung das Gehirn als am wahrscheinlichsten einschätzte, fokussierten. Daraus folgerten die Forscher, dass beim Thema Multitasking, wenn überhaupt, nur von einem „Duo-Tasking“ gesprochen werden könne. Mehr als zwei anspruchsvolle Aufgaben gleichzeitig kann kein Mensch konzentriert und erfolgreich meistern – wenn überhaupt!

Warum meinen wir, Multitasking gehöre heutzutage zu unseren Arbeitsanforderungen? Weil eine gehetzte Gesellschaft sich selbst hetzt. Viele Berufstätige werden in Großraumbüros plaziert. Dank kurzer Wege soll Zeit und Geld gespart werden, Führungskräfte sehen darin nur die Vorteile, erfreuen sich selbst aber an der Rückzugsmöglichkeit ihres Einzelbüros. Großraumbüros sind häufig nur durch dünne Trennwände in sogenannte „Cubicles“ unterteilt und stressen mit einem je nach Branche und Temperament der Kollegen mehr oder weniger ausgeprägten Geräuschpegel. Arbeitnehmer müssen besonders viel Energie aufbringen, konzentriertes und kreatives Arbeiten bei solch einer Dauerbeschallung ist deutlich erschwert.

Die Multitaskingfalle ist nicht unausweichlich. Kluge Arbeitnehmer verschaffen sich kleine Auszeiten, um anspruchsvolle Arbeiten zu bewältigen. Das gute alte „Bitte nicht stören“-Schild an der Bürotür kann Wunder bewirken und eine Begrenzung von Telefonanfragen auf fünf Minuten die Konzentration aufs Wesentliche möglich machen. Die Frage ist nur, wer hält sich daran? Denn es kostet enorme Selbstdisziplin, sich nicht zwischendurch ablenken zu lassen. Vorausgesetzt, kein „Smombie“ kreuzt den Weg, also jeder Zeitgenosse, der nach einer Mischung aus Smartphone und Zombie benannt ist und sich von seinem Hightech-Tyrann gefangennehmen lässt.

Im jugendlichen Überschwang halten wir uns für Alleskönner. Mancher überschätzt sich und seine Flexibilität. Nur weil es die Technik gibt, heißt das noch lange nicht, dass der Mensch sie auch simultan beherrschen und dadurch seine Leistung steigern kann. Ganz im Gegenteil!

Durch den stetig steigenden Gebrauch von Kommunikationstechnik und Multimedia sinkt die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen – und befindet sich derzeit bereits unter dem Niveau eines Goldfisches. Der kann sich neun Sekunden auf eine bestimmte Sache konzentrieren, Menschen können das nur acht Sekunden lang. Das ist das Ergebnis einer Versuchsreihe von Microsoft mit 2.000 Probanden im letzten Jahr. Vor 15 Jahren, also vor der Zeit des Massenphänomens Internet, waren es noch zwölf Sekunden.

Wir müssen mindestens einen Schritt zurücktun in unserer persönlichen Entwicklung, damit unsere Arbeitsplätze nicht irgendwann von Maschinen ersetzt werden – deshalb, weil unsere Aufmerksamkeitsspanne auf das Niveau einer Fruchtfliege gesunken ist.

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