ja, ich sage es mit größter Klarheit: Jahrelang war ich ein Gegner des Selbstmordes und ich wollte einfach nicht verstehen, dass jemand ein Geschenk Gottes aus eigener Hand vernichtet. Seit einiger Zeit frage ich mich, ob das Leben wirklich ein Segen ist? Wenn ich sehe, was um uns passiert, bin ich unsicherer denn je und auch die Einsamkeit der älteren Menschen stimmt mich nachdenklich. Oft warten Menschen in Spezialeinrichtungen auf ihren Tod, die für die Allgemeinheit zur Last geworden sind. Es ist berechtigt, sich Gedanken zu machen, ob die Gesellschaft das tragen soll und muss, einfach weil die Medizin große Fortschritte gemacht hat und aus einer „faustischen“ Sicht die ewige Jugend preist? Dieses Ethos wird für viele zur Qual – anstatt sich einfach hinzulegen und zu sterben, werden sie künstlich aufgepäppelt, um das Geschäft mit der Gebrechlichkeit zu befördern und mit Verlaub gesagt: Das ist zum Kotzen!
In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung sagte der katholische Theologe Hans Küng, dass er einer Schweizer Organisation beigetreten sei, die ihren Mitgliedern Selbstmordhilfe anbietet. Er leidet an Parkinson und möchte nicht eines Tages von anderen abhängig sein. Es gibt nichts Schlimmeres, als nicht mehr selbst entscheiden zu können, wie es weiter gehen soll – ich habe dafür volles Verständnis, liebe Selbstmörder, schon das Gefühl der Abhängigkeit finde ich unerträglich. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Fälle, bei denen die Schmerzen den Alltag bestimmen. Ich habe vor einigen Jahren mehrere Filme zur Frage der Euthanasie gedreht. Wie sie in Holland oder Belgien praktiziert wird, kann ich auch heute nicht akzeptieren. Warum? Weil ein Arzt – auch wenn gerichtlich genehmigt – die Todesspritze gibt, also wird die moralische Last auf eine andere Person übertragen. Anders beim Schweizer Exit: Hier liegt die Entscheidung bei den Betroffenen. Und was passiert, wenn der Kranke nicht mehr selbst reagieren kann? Da hat er Pech gehabt.
Wie würde ich mich verhalten? Liebe Selbstmörder, ich leide oft an Depressionen, aber bisher hat immer die Lebenslust überwogen. Ich möchte nicht dem Beispiel meines Vaters folgen, der eines Tages – kurz vor Weihnachten – im Schlafanzug die Klinik verließ und im Schnee erfror, weil er sein psychisches Leiden nicht mehr ertragen konnte und wollte. Dieser Selbstmord – das war einer – belastet mich noch heute und ist der Grund, warum ich nicht bewusst zu diesem Mittel greifen würde. Das kann ich nicht meiner Familie und meinen Freunden antun, das wäre ein Verrat an der Liebe, die sie mir schenken. Ich denke es, aber kann nicht garantieren, dass ich nicht eines Tages doch zu den Mitteln des Selbstmordes greifen würde, niemand kann dies tun, so gläubig er auch ist! Bisher habe ich aber immer wieder einen Grund gefunden, das Schöne und das Helle vor die Finsternis zu platzieren – nicht um sie zu kaschieren, aber einfach um die Kraft zu finden, weiterzuleben. Und doch gehört der Freitod zum Begriff Freiheit, sie ist für mich entscheidend und kennt keine Grenzen, auch der Tod kann sie nicht einschränken. Deshalb finde ich es nicht verwerflich, wenn Menschen sich für den freien Tod entscheiden. Man sollte sie nicht dafür steinigen, wie es noch oft der Fall ist – Gott wird schon gut wissen, wie er mit den Selbstmördern umgeht. Ich bin sicher, dass er ihnen den Segen nicht verweigern wird, sie sind auch seine Kinder!
//pm
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