Die Internet-Konferenz re:publica in Berlin ruft nach Privatsphäre im Netz und schaltet Whistleblower Edward Snowden aus Moskau zu. Das offene Internet „verschließt sich gerade“, konstatiert re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl.

8.000 Gäste, 400 Stunden Programm, 770 Sprecherinnen und Sprecher aus 60 Ländern und 17 Bühnen. Am Montag ist in Berlin die zehnte re:publica eröffnet worden, die größte Digitalkonferenz Europas, die dieses Jahr unter dem Motto Selbstreflexion steht, aber auch einen Blick in die digitale Zukunft werfen soll. Was vor einem Jahrzehnt noch Nischenveranstaltung, ist sie inzwischen nicht mehr wegzudenken: Drei Tage wird daher in der Station in Kreuzberg zwischen Robotern, Kaffeeinseln und 3-D-Druckern über Netzpolitik, Social Media, Hate Speech oder Virtual Reality geredet, gelernt, gewundert, getwittert und gestreamt.

„Seit zehn re:publicas feiern wir das offene Internet, doch das verschließt sich gerade. Unsere Kommunikation wird zunehmend überwacht. Und wir machen uns immer mehr abhängig von immer weniger Plattformen, die uns ihre Regeln vorschreiben“, sagte Markus Beckedahl, Chefredakteur von Netzpolitik.org. Eine offene Gesellschaft braucht ein offenes Netz!

Immer wiederkehrend die Themen Vorratsdatenspeicherung, Zensur, Überwachung, Netzsperren, Geheimdienste, Urheberrecht, Netzneutralität. Gleichzeitig kommen immer weitere netzpolitische Themen hinzu: Algorithmen treffen Entscheidungen über unser Leben, ohne dass wir dies nachvollziehen können. Wir haben aber ein Recht darauf! Jeder will die neuen Technologien nutzen, aber sie sollten nicht gegen einen verwendet werden.

Zur Media Convention: Einer der wichtigsten Medienkongresse in Europa. Da sie aber seit drei Jahren als Subkonferenz der re:publica stattfindet, ist festzustellen, dass ihre Panels oft einfach als bloßer Teil der re:publica wahrgenommen werden. In diesem Jahr war der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), selbst bei der Media Convention anwesend, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu sichern.

Jede Menge Prominenz im Saal. Der italienische Philosophie-Professor Luciano Floridi hielt einen Vortrag darüber, warum es ein Gebot der Menschenrechte ist, die Privatheit im Netz zu verteidigen. Aufgrund der Ankündigung, dass Whistleblower Edward Snowden live zugeschaltet würde, standen die Zuhörer in langen Schlangen vor dem Saal. Snowden forderte die Zuhörer auf, sich bei ihren Regierungen dafür einzusetzen, dass Whistleblower bei ihnen Asyl finden könnten. Den Anspruch auf Privatheit im Netz verglich er mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Zitat: „Wer sagt, er habe keine Geheimnisse und brauche daher keine Privatsphäre im Internet, kann genauso gut sagen, er brauche keine Freiheit der Rede, weil er nichts zu sagen hat“.

Ein Jurastudent ist aus Hamburg angereist, um sich auf der re-publica weiterzubilden. Sensibilisiert durch seine Ausbildung nutzt er social networks nur passiv, nicht aktiv. Der „normale“ Nutzer wisse oft gar nicht, was er alles von sich preisgebe und wie seine Daten ausgewertet werden würden. Private Fotos bei Facebook? Ein No-Go! Die Bildrechte liegen hiernach bei Facebook, was kaum einer wisse, sich aber aus den Allgemeinen Bedingungen des Netzwerks ergebe.

Private Bloggerinnen und Blogger gab es vor Ort en masse. Für sie spielt der Schutz im Netz ebenfalls eine große Rolle: Als Autoren, die online viel Privates auch über ihre Kinder preisgeben, sehen sie sich immer wieder der Kritik ausgesetzt. Was im Netz sei, bleibe auch dort. Private Fotos von Kindern sind immer ein heikles Thema. Und Echtnamen werden heiß diskutiert. Viele Blogger arbeiten unter einem Pseudonym.

Die nächste re:publica wird nicht lange auf sich warten lassen. Sie findet bereits am 20. Oktober 2016 in Dublin statt. „Wir wollen ein neues Projekt im Ausland probieren“, sagte Andreas Gebhard, Mitbegründer der re:publica.

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