Das britische Unterhaus hat einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 gefordert. Das Ereignis solle nicht in einem Land stattfinden, dessen Regierung glaubhaft Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen würden, heißt es in dem am Donnerstag verabschiedeten Beschluss (SPON).
Sport sei die wahrscheinlich größte Kommunikationsplattform der Welt, sagte 2012 der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach. Über 100 Jahre zuvor hatte ein irischer Weitspringer das auch schon verstanden. Peter O’Connor gewinnt bei den „Olympischen Zwischenspielen“ 1906 in Athen die Silbermedaille, stiehlt dem Sieger aber dennoch die Show: Der Ire weigert sich, dass für ihn die britische Flagge gehisst wird. Kurzerhand klettert er auf den Fahnenmast, schwenkt die grüne Fahne für sein Heimatland und demonstriert damit für die Unabhängigkeit Irlands.
Das Verhältnis zwischen Politik und Sport hat sich in den letzten Jahren verändert. Der ökonomische, mediale und politische Aufstieg der Olympischen Bewegung schien bisher unaufhaltsam. Mit der wachsenden Bedeutung gewinnbringender sportlicher Großereignisse stieg besonders das Interesse der Politiker/-innen, die mit Hilfe des Sports innen- und außenpolitisch ihr Image aufpolieren wollen. Mit steigender Nachfrage wuchs auch das Prestige der SportfunktionärInnen. Und ihre Anspruchshaltung: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) beispielsweise diktiert schamlos potenziellen Olympia-Bewerbern Forderungen wie etwa finanzielle Vorteile durch Steuerbefreiung (sportspitze.de, 29.10.2016).
Sportfunktionäre behaupten noch immer, Sport habe nichts mit Politik zu tun. Sie nehmen Politik aber dann für sich in Anspruch, wenn sie ihnen nützt.
Die ersten Spiele, die als professionelles, durchinszeniertes Massenereignis im heutigen Sinne begangen wurden, waren jene von 1932 in Los Angeles. Sie waren Vorbild für die Nationalsozialisten, die die Olympischen Spiele 1936 in Berlin propagandistisch ausschlachteten. Zunächst standen die Nationalsozialisten den olympischen Idealen skeptisch gegenüber. Sie änderten jedoch ihre Meinung, als das Reichspropagandaminsisterium unter Joseph Goebbels begann, die Spiele als geeignetes Mittel zur Umsetzung der politischen Zwecke der NationalsozialistInnen zu sehen.
Wie politisch darf Sport sein? Anhand der großen Sportveranstaltungen in der Welt wird deutlich, wie wichtig derzeit die Frage nach dem Verhältnis von Sport und Politik ist.
Bei den internationalen Sportorganisationen hat man in den vergangenen Jahren gemerkt, dass die harte Trennung zwischen Sport und Politik nicht mehr aufrecht zu erhalten sei. Man hat sich die Probleme auch ins eigene Haus geholt, vor allem durch die Vergabe von Sportgroßereignissen in undemokratische Länder.
Die heutigen Athleten werden immer mündiger – in dieser Gemengelage befinden wir uns gegenwärtig. Das Verhältnis von Sport und Politik wird gerade neu verhandelt. Allen Ansprüchen und Anforderungen zu entsprechen, ist dabei wahrscheinlich nicht möglich (Jürgen Mittag, Sportwissenschaftler in deutschlandfunkkultur.de, 21.06.2021).
Schon bei den Olympischen Spielen der Antike spielte die Politik eine Rolle: Für die Dauer der Wettkämpfe wurde Waffenstillstand vereinbart. Aber auch in der Neuzeit wird der Sport von der Politik instrumentalisiert.
Ein schwieriges Verhältnis …