Brasilien präsentierte sich als Gastgeber der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016. Es zeigte sich auch zunehmend selbstbewusst.
Das Land beteiligte sich an internationalen UN-Missionen in Haiti, im Kongo und auf den Golanhöhen. Und es war diplomatisch federführend in der Gruppe der aufstrebenden Schwellenländer, den sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika).
Bolsonaro, Brasiliens Präsident, der die von dem Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 als „kleine Grippe“ bezeichnete, hatte in der Regel keine Maske getragen und bei seinen öffentlichen Auftritten auch die Abstandsregeln ignoriert: Der rechtsradikale Politiker schüttelte regelmäßig Hände und umarmte seine Anhänger auch. Ein Gericht hat nunmehr die Maskenpflicht auch für Bolsonaro angeordnet (zeit.de).
Anfang letzten Jahres kam er ins Amt. Wie sieht die Bilanz nach 18 Monaten aus?
Während in Brasilien die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Patienten auf über eine Million gestiegen ist, versinkt das Land immer mehr im Chaos.
Auf den Erfolg der Corona-Strategie seiner Regierung kann sich Bolsonaro nicht berufen. Brasilien ist mit mehr als 57.000 Toten (Stand: 28.06.2020) nach den USA das stärkste von der Pandemie betroffene Land (deutschlandfunk.de).
Brasilien war gerade mit Müh und Not wieder ein bisschen auf Wachstumsfahrt, hatte sich aus der Rezession rausgearbeitet. Jetzt kommt Corona und die Hoffnung von Jair Bolsonaro, dass er diese Pandemie oder die Effekte dieser Pandemie von Brasilien abhalten kann, indem er einfach gegen jedes Social Distancing ist, haben sich nicht erfüllt. Die Produktion ist auch eingebrochen, die Wirtschaftsleistung ist auch eingebrochen. Brasilien steckt in einer tiefen Rezession.
Man vergleicht Bolsonaro oft mit Donald Trump. Der Vergleich ist angebracht, weil in vielen Dingen Bolsonaro Donald Trump schlicht imitiert. Das gilt auch für die Corona-Politik und schließlich, was seine Popularität angeht. Seine Beliebtheit bröckelt. In den Umfragen schneidet er immer schlechter ab. Immer mehr Menschen wenden sich von ihm ab. Das miserable Krisenmanagement in Sachen Corona spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Dennoch gibt es einen harten Kern an treuen Anhängern.
Die Zahl der Todesopfer steigt in der Pandemie rasant. Vor rund zwei Wochen sind im Gedenken an die Verstorbenen und aus Protest gegen die Corona-Politik der Regierung am Strand der Copacabana in Rio de Janeiro 100 leere Gräber ausgehoben worden (tagesschau.de, 12.06.2020).
Für Bolsonaro sind diejenigen, die gegen ihn demonstrieren, „Asoziale“ und „Terroristen“ (berliner-kurier.de). Bei den jüngsten Demonstrationen fiel die hohe Präsenz der Militärpolizei auf, der Präsident hatte sogar mit einem Einsatz des Militärs in Brasília geliebäugelt.
Bolsonaro wird seine Macht auf jeden Fall stützen wollen. Zu unbeliebt, zu inkompetent, zu viel Polizei und Militär, kurzum: „Mit Bolsonaro droht ernsthaft eine Rückkehr zur Diktatur“, warnt Chico Malfitani, Mitgründer der Ultra-Gruppe „Gaviões da Fiel“.
Die Regierung versucht jetzt in Brasilien, die Opferzahlen der Corona-Pandemie kleinzurechnen. Die Bundesstaaten und die Justiz halten dagegen. Ganz nebenbei deutet Bolsonaro an, Brasilien werde die WHO verlassen. Donald Trump lässt grüßen …
Die Frage ist, ob es Bolsonaro gelingt, den Anschein einer demokratischen Fassade zu wahren, während er hinter den Kulissen ein autokratisches Herrschaftssystem errichtet. Er war populär, Millionen Menschen ließen sich von seinem Charisma blenden ...