In seiner Heimat Japan gilt der Diplomat Chiune Sugihara als Held – er rettete im 2. Weltkrieg vielen tausend Menschen das Leben und ging als „japanischer Schindler“ in die Geschichte ein.
Chinue Sugihara war ab 1939 als Vizekonsul im japanischen Konsulat in Litauen tätig. Am 29.07.1940 begann er, unzähligen Juden unerlaubt ein Visum auszustellen, um ihnen die Ausreise zu ermöglichen. Täglich stellte er bis zu 20 Stunden am Tag über 300 handschriftliche Visa aus und ignorierte viele ihm angeordnete Vergabevoraussetzungen.
Pro Tag wurden von Sugihara mehr Visa ausgestellt, als in einem ganzen Monat üblich waren, womit er zahlreichen Juden das Leben rettete. Selbst am Tag seiner eigenen Abreise aus Litauen, soll Sugihara am Bahnhof noch Pässe für jüdische Flüchtlinge gestempelt haben.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 flohen etwa 15.000 Juden ins benachbarte Litauen. Der Fluchtweg nach Westen war durch das NS-Regime unmöglich und die Sowjetunion konnte nur durchqueren, wer ein Visum für das Zielland hatte. Seine Regierung sandte Chiune Sugihara Ende 1939 in die damalige litauische Hauptstadt Kowno (heute Kaunas), weil Tokio die deutsch-sowjetischen Beziehungen nach der Unterzeichnung des Molotow-Ribbentrop-Paktes besorgt verfolgte. Litauen genoss zu jener Zeit einen bedenklichen Frieden zwischen „Hitlers Hammer und Stalins Amboss“. Japan hatte seine eigenen Interessen mit den Verbündeten Deutschland und Italien im Blick. Bis zum 23. Juli 1940 (juedischerundschau.de) stellte Sugihara kein einziges Visum aus. Der Posten des Konsuls war nicht der wahre Grund, warum er nach Litauen entsandt wurde. Offensichtlich sollte er als Spion arbeiten. Die darauffolgenden Monate unterzeichnete er hunderte von Visa täglich – alle für Juden, die nach der Invasion der deutschen Wehrmacht aus Polen flüchteten.
Sugihara handelte nicht nur verdeckt, er machte sich auch offiziell für die Rettung der Juden stark: Dem sowjetischen Volkskommissar für Auswärtige Beziehungen schlug er vor, die jüdischen Visa-Antragsteller mit der Transsibirischen Eisenbahn bis an den Pazifik zu schicken und von dort weiter nach Japan reisen zu lassen. Dies wurde umgesetzt, Tausende Juden konnten so nach Japan und teilweise von dort weiter in die USA reisen (welt.de).
Für die meisten Juden, gleich ob aus Kaunas stammend oder dorthin geflüchtet, war es vollkommen unmöglich, ein Transitvisum zu bekommen, dass es Ihnen ermöglicht hätte, eines der wenigen zur Aufnahme von verfolgten Juden bereiten Länder zu erreichen (zukunft-braucht-erinnerung.de). Sugihara wusste, dass er vereinzelt Japanische Transitvisa ausstellen könnte. Er wusste allerdings auch, dass er diese nur verteilen durfte, wenn die Weiterreise aus Japan in das Aufnahmeland gesichert war, was finanzielle Mittel voraussetzte, die viele Juden aus Kaunas nicht hatten – immerhin musste erst mit der transsibirischen Eisenbahn nach Vladivostok gereist werden, und von dort über den Seeweg nach Japan. Sugihara merkte aber im Frühjahr 1940, dass er für zahlreiche Menschen, die bereits sämtliche Konsulate in Kaunas kontaktiert hatten, die einzige Rettung darstellte.
Die Zeit drohte generell zur schwierigsten Herausforderung zu werden. Immer mehr Menschen warteten vor den Toren des Konsulats, und Sugihara wusste, dass er, selbst wenn die Sowjetischen Behörden seinem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Schließung des Konsulates stattgeben würden, es nahezu unmöglich wäre, allen zu helfen. Mitte August kam dann die Gewissheit: das Konsulat müsste am 28. August 1940 seinen Dienst einstellen. Als das Konsulat im September 1940 geschlossen wurde und Sugihara nach Berlin ausreisen musste, soll er noch im Zug Visa ausgestellt und sie aus dem Fenster geworfen haben.
Nach Stationen als Konsul in Königsberg, Prag und Bukarest werden Sugihara und seine Familie im Winter 1944 von sowjetischen Truppen gefangen genommen. Erst 1947 durften sie wieder nach Japan reisen. Sugihara wird kurz nach seiner Rückkehr wegen Missachtung von Befehlen aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Aufgrund seiner Russisch-Kenntnisse arbeitete er mit russischen Firmen zusammen und zog Ende der 1950er Jahre nach Moskau.
Nach dem Krieg wurden Sugihara und seine Familie anderthalb Jahre in einem russischen Kriegsgefangenenlager interniert. 1946 kehrten sie nach Japan zurück. 1947 wurde er aus dem diplomatischen Dienst entlassen – es ist nicht ganz klar, ob dies auch wegen seiner Aktionen in Litauen geschah.