Warum hält sich Leonardo da Vinci so hartnäckig als globales Supergenie? Die WELT titelte gar zum 500. Todestag: „Leonardo da Vinci, der Steve Jobs seiner Zeit“ (welt.de 01.05.2019).
Leonardo da Vinci studiert die Natur und den menschlichen Körper, ersinnt Flug- und Kriegsmaschinen: Rastlos stürzt der Visionär, der das Renaissance-Ideal des vielseitig begabten Menschen wie kein anderer verkörpert, von Projekt zu Projekt. Beim Malen aber hält er inne – und schöpft aus seinem universalen Wissen Werke von überzeitlicher Schönheit.
Schon als Kind erforscht Leonardo, 1452 als unehelicher Sohn eines Notars im toskanischen Vinci geboren, die Gesetzmäßigkeiten der Natur: „Beschreibe, wie die Wolken sich bilden und wie sie sich auflösen“, vermerkt er später in einem seiner Notizbücher, „was die Nebel und die Verdichtung der Luft verursacht und warum diese manchmal blauer oder weniger blau erscheint als ein andres Mal“ (geo.de).
Fliegen – davon träumte Leonardo da Vinci wie viele andere Menschen jener Zeit. Der Mann aus Italien beobachtete Vögel und entwickelte Flughilfen, die den Flügeln nachempfunden waren.
Leonardo setzte aber nicht allein auf die Muskeln als Antriebskraft. Er entwickelte unter anderem ein Fluggerät mit Luftschraube, einen Vorläufer des modernen Helikopters. Auch ein Gleitfluggerät entwarf der Tüftler, eine Art Fallschirm. Der Fallschirm ist jedoch nicht rund geformt, sondern läuft spitz zu.
Leonardo war ein Exzentriker, der das Außenstehen zum Prinzip machte. Er hinterfragte alles, vom Lauf des Wassers über die Funktionsweise des menschlichen Körpers bis zum kanonisierten Regelwerk der Malerei. Während es kaum mehr als ein Dutzend Gemälde von ihm gibt, kann man bis heute über 6.000 Zeichnungen aus seiner Hand bestaunen. Darüber, über die Beobachtung, erschließt er sich die Welt (deutschlandfunk.de).
„Malerei war für ihn praktische Philosophie. Er musste malen um zu erkennen.“
Das Handwerk dazu erlernte er in der Florentiner Werkstatt Andrea del Verrocchios. Nach den Jugendjahren in Florenz versuchte er sein Glück am Mailänder Hof von Ludovico Sforza, der wie andere Machthaber auch, die Kunst für seine Propagandazwecke brauchte. Leonardo pries sich an – allerdings nicht als Maler.
Im 19. Jahrhundert brach ein regelrechter Kult um ein Bild aus (die Italiener tauften es Monna Lisa – Frau Lisa – oder La Gioconda).
Man mochte nicht glauben, dass die Dame mit dem seltsam verschleierten Blick nur eine langweilige Kaufmannsfrau war, begann ihr unergründliches Lächeln und den sublimen Zauber ihrer Erscheinung psychologisch zu analysieren. So pendelte die Interpretation der Mona Lisa zwischen Heiliger und Hure. Selbst die spärlich angedeutete Landschaft im Hintergrund erschien einem deutschen Kunsthistoriker „traumhaft wie in gewitterschwüler Sinnlichkeit zitternd“ (Richard Muther 1909).
Ein stehendes Lächeln auf langgezogenen, geschwungenen Lippen; es ist für ihn charakteristisch geworden und wird vorzugsweise „leonardesk“ (SPON) genannt. In dem fremdartig schönen Antlitz der Florentinerin Mona Lisa del Giocondo hat es die Beschauer am stärksten ergriffen und in Verwirrung gebracht.
Dem Erfinder Leonardo da Vinci waren die Defizite seiner Ideen sehr wohl bewusst (swr.de). Wir machen heute den Fehler, ihn zum Universalgenie zu stilisieren, das alles konnte. Er selbst sah das anders, verstand sich nicht unbedingt als großer Erfinder, sondern als Neugieriger, der sich für alles interessiert. Und so interessierte er sich eben auch für Maschinen, die viele schon vor ihm entworfen hatten. Leonardos originäre Leistung bestand darin, die schlechten Zeichnungen der Maschinen seiner Vorgänger zu perfektionieren; seine Zeichnungen waren so perfekt, dass sie suggerierten, seine Maschinen würden funktionieren.
Am 2. Mai 1519 starb der Universalgelehrte in Amboise. Heute – 500 Jahre danach – ist er uns präsenter denn je. Ein „Uomo universale“ wollte er sein, die Malerei galt ihm zwar als die höchste aller Künste, was ihn aber nicht abhielt, mit fantastischen Erfindungen weit in die Zukunft zu greifen.