So viel Verwirrung am Markt gab es die letzten dreißig Jahre nicht. Die Marktteilnehmer wollen nicht noch mehr „vom Gleichen“ – das spürt auch die Federal Reserve. Die globalen Märkte weisen seit längerem eine ungesunde Konstellation auf: Die Verschuldung, die Arbeitslosigkeit und die Aktienmärkte steigen, während die Produktivität sinkt. Das ist in der Finanzbranche nicht neu.

Der Fed geht es momentan darum, die Glaubwürdigkeit und die Handlungsfähigkeit zurückzuerhalten. Im letzten Sitzungsprotokoll war gar zu lesen, dass in der Fed Befürchtungen wegen einer Bewertungs-Blase aufgekommen sind. Die schärfste Waffe, die eine Notenbank hat, ist die Überraschung. Die Federal Reserve will und soll stets vermeiden, politischen Einfluss zu nehmen.

Doch die Zinsen vor den Präsidentschaftswahlen nicht zu erhöhen, wäre diesmal ein deutliches Signal dafür, dass die Politik es nicht geschafft hat, die Wirtschaft anzukurbeln.

Zudem wäre eine Erhöhung ein Paradigmenwechsel. Seit der Ära Greenspan hatte die Fed bei Entscheidungen immer auch den Aktienmarkt im Blick. Die Präsidentin des Federal Reserve Board, Janet Yellen, hat noch einen externen Fokus eingebaut und berücksichtigt zudem globale Umstände, wie unter anderem den Brexit bzw. das Wachstum in China. Solcher Rücksichtnahme würde mit einem heutigen Drehen an der Zinsschraube eine Absage erteilt.

Janet Yellen kämpft um ihre Zukunft. Im Jahr 2018 muss sie sich der Wiederwahl stellen. Unter einem Präsident Trump hätte sie keine Chance. Nicht wenige Ökonomen rechnen damit, dass Trump die Wahlen gewinnen wird, Die Amerikaner wollen Veränderung und Clinton sei hier „more of the same“. Auch wenn die Börse steigt und die Teuerung angeblich tief ist, sieht der US-Durchschnittsbürger vor allem, dass beispielsweise Gesundheitswesen und Schulen massiv teurer werden, das verfügbare Einkommen aber seit Jahren schrumpft.

Doch je näher die Zinssitzungen an die Präsidentschaftswahl heranrücken, desto schwieriger wird der Plan der Fed, die Zinsen zu erhöhen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat die Federal Reserve vergangene Woche lautstark beschuldigt, in die Politik einzugreifen, indem die Zinssätze niedrig blieben. Sie sollten die Wirtschaft ankurbeln und die Chancen für die Demokratin Hillary Clinton verbessern, die starke Verbindungen zur Regierung von Barack Obama hat. Die Fed sei „sehr politisch“.

Trump attackierte auch die Fed-Chefin persönlich. Janet Yellen solle sich für das schämen, was sie dem Land angetan habe. Schon vor Monaten hatte er angekündigt, Yellen abzulösen, sobald er Präsident sei. Er will einen Schuldenschnitt für die USA, Ausgaben erhöhen und Steuern senken. Für eine widerborstige unabhängige Notenbank ist da kein Platz.

„Die Fed hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren in eine schwierige Lage gebracht. Sie hat immer wieder angekündigt, in Kürze die Zinsen erhöhen zu wollen, um dann im letzten Moment doch davor zurückzuschrecken. Das macht sie angreifbar, auch für Tiraden eines Donald Trump“, sagt Holger Schmiedring, Chefvolkswirt der Berenberg Bank gegenüber einem Nachrichtensender.

Die US-Notenbank ist sozusagen in den Wahlkampf geraten. Was immer sie nun tut, wird kritisiert werden. Die nächsten Termine für eine mögliche Zinserhöhung werden nicht weniger heikel sein, als in dieser Woche. Im Gegenteil: Die nächste Gelegenheit hätte die Fed am 2. November. Nur knapp eine Woche später ist Präsidentschaftswahl. Das letzte Mal in diesem Jahr werden die Geldpolitiker Mitte Dezember tagen. Dann sollte das Wahlergebnis feststehen.

Es wird also nicht leichter!

Zwei Szenarien zeigen die Zwickmühle, in der sich die Fed befindet: Wird Trump zum nächsten US-Präsidenten gewählt und Yellen hebt die Zinsen an, wird es heißen, sie wolle ihm schaden. Heißt die nächste Präsidentin Hillary Clinton und die Fed tut nichts, wird es heißen: typisch, es sei ja auch nicht anders zu erwarten gewesen.

Die Fed muss jetzt ihre Unabhängigkeit beweisen. Sie darf sich nicht in die politische Ecke drängen und lähmen lassen.

Niedrige Zinssätze sind zwar schön zu haben, aber irgendwann nehmen die Finanzmarkteilnehmer der Fed einfach nicht mehr ab, dass es mit Amerika vorangeht.

Die US-Notenbank muss jetzt entscheiden!