Er war der Mahner in der Wüste, unangenehm in einer Zeit des Wohlstandes. Sein ständig erhobener Zeigefinger konnte schon nerven. Maler, Bildhauer, Schriftsteller und Nobelpreisträger war er. Und politisch hat er sich engagiert. Unterstützt hat der die SPD, auch wenn er aus ihr ausgetreten war. Wir alle erinnern uns an seine Hilfe beim Wahlkampf von Willy Brandt. Er hat sich immer reingehängt, oft dachten wir: „Was mischt er sich jetzt schon wieder ein?!“ Sein Griechen-

landgedicht. Es gibt ein Mehr als wirtschaftliche Abhängigkeit dieses Landes. Es ist die Wiege der abendländischen Kultur. Man hat ihn ausgebuht, seinem Text sogar den Charakter eines Gedichtes abgesprochen. Ja, und die Israelkritik. Einmal mehr erlebte er Ablehnung; in Israel war er von nun an <<persona non grata>>. Nicht zuletzt wurde er für seine Ehrlichkeit bestraft: Grass = Mitglied der Waffen-SS! Ein siebzehnjähriger Junge, reingeschubst, ja einer Eliteeinheit ungefragt zugeteilt. Das, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges. Wo es letztlich für ihn nur noch darum ging, seine eigene nackte Haut zu retten. Sein Verhältnis zu Martin Walser war nicht ohne Streit. Die beiden alten „Diven“ der Literatur waren oft gekränkt ob einer Äußerung des anderen. Nicht nur einmal stellte ich mir die Frage, wer von ihnen der größere Narziss war. Bei Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki sprach man von einem „problematischen“ Verhältnis. Ende 1958 trafen sich beide auf einer Tagung der Gruppe 47, wo der Autor zwei Kapitel aus seiner „Blechtrommel“ vorlas, was das Gefallen des Kritikers fand. Man traf sich dann regelmäßig zu einem Glas Wein. Doch je einflussreicher Reich-Ranicki für die literarische Welt wurde, um so schwieriger gestaltete sich die Männerbekanntschaft. Wenn auch Reich-Ranicki Grass´ frühe Arbeiten schätzte (z. B. „Katz und Maus“ oder „Das Treffen in Telgte“), so vehement kritisierte er dessen spätere Werke (u. a. „Hundejahre“ oder „Der Butt“).

Ich werde ihn immer mit der „Blechtrommel“ in Verbindung bringen. Dem kleinen Oskar, der nicht mehr wachsen wollte und sich durch die Zeit getrommelt hat. Zu erotisch für die End-1950er bzw. Anfang-1060er. „Dat Oskarchen“, Symbolfigur für einen Zeitenumbruch und den Kleingeist der Nazis. Ständig trommelte er widerspenstig, ging den Leuten auf die Nerven. Widerstand gegen das Establishment. Genau wie der Günter!

Sein letztes, gerade noch fertiggestelltes Werk <<Vonne Endlichkait>> wird er nicht mehr vorlesen können.

Ich werde ihn vermissen …

© Thomas Dietsch